Dr. Neysa Setiadi ist Expertin für Katastrophenvorsorge und Referentin in der Abteilung Projekte und Qualitätssicherung bei Aktion Deutschland Hilft.
Sie hat bei der Meta-Analyse zur Effizienz von Vorsorgemaßnahmen mitgewirkt, die das Bündnis im März 2021 abgeschlossen hat.
Aktion Deutschland Hilft: Was sind für Sie die wichtigsten Erkenntnisse, die Sie aus der Studie ableiten können?
Dr. Neysa Setiadi: Vor allem hydrometeorologische Katastrophen, wie Überflutungen, Stürme und Dürren nehmen durch den Klimawandel zu. Katastrophenvorsorge ist daher ein wichtiges und kostengünstiges Instrument, um schon vor der Katastrophe zu investieren, anstatt erst im Nachhinein den humanitären Bedarf zu decken.
Vorsorge lohnt sich – besonders in ärmeren Ländern. Gerade in diesen Ländern gibt es jedoch noch eine große Finanzierungslücke, da sie kaum eigene Gelder mobilisieren können und viel zu wenige internationale Gelder für Vorsorgemaßnahmen erhalten. Die durchschnittliche Finanzierung für Katastrophenvorsorge durch die öffentliche Entwicklungshilfe pro Kopf der extrem armen Länder lag im Zeitraum 2010 bis 2018 bei unter einem USD (66 Cent) pro Jahr.
Welche Vorsorgemaßnahmen sind am effizientesten?
Es ist wissenschaftlicher Konsens, dass man im besten Fall mehrere Maßnahmen aus unterschiedlichen Bereichen der Katastrophenvorsorge kombinieren sollte. Darüber hinaus sollte man Maßnahmen nicht nur auf eine bestimmte Gefahr hin ausrichten, sondern die Situation ganzheitlich betrachten und prüfen, welchen Risiken die Menschen einer Gemeinde insgesamt ausgesetzt sind.
Strukturelle Maßnahmen wie Deiche sind teuer und nach einer gewissen Zeit baufällig. Für nicht-strukturelle, vor allem ökosystembasierte Maßnahmen reichen kleinere Investitionen aus. Im Ergebnis sind sie zudem langlebiger und ökonomisch effektiver: Küstennahe Mangrovenpflanzungen beispielsweise dienen nicht nur zur Eindämmung von Überschwemmungen, sie erhöhen auch die Biodiversität und schützen die Umwelt.
Das heißt nicht, dass sich Investitionen in strukturelle Maßnahmen grundsätzlich nicht lohnen. Aber wenn es in ärmeren Ländern nur geringe finanzielle Mittel und technische Kapazitäten gibt, dann ist es häufig sinnvoller, in nicht-strukturelle Maßnahmen zu investieren.
Mangrovenanpflanzungen gehören zu den sogenannten "no-regret"-Maßnahmen. Was hat es damit auf sich?
"No-regret"-Maßnahmen, wie die oben genannten Mangrovenpflanzungen, bringen in jedem Fall Vorteile für die Bevölkerung mit sich, auch wenn eine befürchtete Katastrophe nicht eintritt. Daher sind diese Maßnahmen besonders empfehlenswert. Mangrovenanpflanzungen sind nicht-strukturelle, ökosystembasierte Maßnahmen. "No-regret"-Maßnahmen können aber auch struktureller Natur sein.
Dazu zählen Notunterkünfte, die für die Evakuierung der Menschen im Fall eines Sturms gebaut werden. Man kann die Gebäude im Alltag auch als Gemeindehalle oder als Bildungsstätte nutzen. Ein anderes Beispiel sind Bewässerungssysteme, die zur Dürreprävention eingesetzt werden. Sie sorgen gleichzeitig für eine Stärkung der wirtschaftlichen Produktivität und haben insgesamt einen guten Nutzen für die Gemeinde.
Was ist Ihre Empfehlung an die Politik aufgrund der Studienergebnisse?
Die Bundesregierung und andere internationale Geber sollten dringend mehr Geld in die weltweite Katastrophenvorsorge investieren. Wir müssen einen stärkeren Fokus auf Resilienz legen, anstatt nur reaktiv zu handeln. Dazu gehört auch, sich nicht nur auf Gefahren zu fokussieren, sondern die Gemeinde durch "no- regret"-Maßnahmen zu stärken. Investitionen in nicht-strukturelle "no-regret"-Maßnahmen lohnen sich durch die Unsicherheiten des Klimawandels aktuell mehr als in strukturelle Maßnahmen.
Darüber hinaus wäre es wichtig, die Rolle von zivilgesellschaftlichen Institutionen und NROs weiter zu stärken. Denn sie sind auf Gemeindeebene aktiv und decken vor allem in ärmeren Ländern ab, was staatliche Organisationen bisher nicht leisten können.
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