von Aktion Deutschland Hilft
Ein Jahr ist seit den verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien im Februar 2023 vergangen. Die Naturkatastrophe hat das Leben vieler Menschen für immer verändert.
Erdbeben Türkei und Syrien: Stimmen von Betroffenen und Helfenden
Betroffene und helfende Menschen blicken zurück, sprechen über ihre Erlebnisse und die aktuelle Lage im Katastrophengebiet.
Zehra Tatlicioglu: Ein Anruf, der zwei Leben rettete
Khalil Dincher: "Wir schliefen in einem Ofen. Zu zweit, fast drei Wochen lang"
Nahla Abdul Hai: "Ich fühle mich wie ein fliegender Vogel"
Muhammed Dogan: Sehnsucht nach Frieden und einem besseren Leben
Bildergalerie: Weitere Geschichten von Hilfe & Hoffnung
In der Nacht des Erdbebens rief Zehra Tatlicioglu ihre Eltern an. Ein Telefonat, das ihrer Mutter und ihrem Vater wohl das Leben rettete: "Als das Telefon klingelte, blieben beide für einige Sekunden stehen. Sonst wären sie aus dem bebenden Haus auf Terrasse geflohen, wo Gebäudeteile sie getroffen hätten."
Zehra arbeitet im Notfallteam von CARE, Bündnisorganisation von Aktion Deutschland Hilft, in der Türkei. Als sie sich in der Katastrophennacht auf die Straße rettete, fand sie Hunderte von Menschen in Panik vor. Die Nacht war dunkel und kalt, es regnete in Strömen. "Alles passierte so schnell. Gleichzeitig fühlten sich diese Momente an wie eine Ewigkeit", erinnert sich die 35-Jährige.
"Ich konnte nicht glauben, wie groß die Zerstörung war"
"Erst drei Tage nach den Erdbeben konnte ich zu meiner Familie nach Hatay reisen. Statt zwei brauchten wir zwölf Stunden. Ich konnte nicht glauben, wie groß die Zerstörung war." Als Teil des Nothilfeteams von CARE ist Zehra bis heute für die Menschen in der Region im Einsatz. "Die Bedürfnisse sind immer noch immens. Hunderttausende haben keinen Zugang zu sauberem Wasser, Nahrung, Hygieneartikeln und einer angemessenen Unterkunft", sagt Zehra.
Gleichzeitig blickt sie zuversichtlich in die Zukunft: "Ich habe während dieser intensiven Monate viel gelernt. Zu den wichtigsten Lektionen gehört, dass man in zwei Minuten alles verlieren kann. Ich möchte keine Zeit verschwenden. Ich möchte im Moment leben, mich auf das Positive konzentrieren und das Beste für meine Familie und die Gesellschaft geben. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit Hartnäckigkeit und Geduld alles wiederaufbauen werden."
CARE ist an verschiedenen Orten in der Türkei im Einsatz. Die Mitarbeiter:innen verteilen Trinkwasser, Hygienekits und Bargeld; sie stellen Nahrung und Unterkünfte bereit.
Die Zerstörung im Dorf Bözhüyük in der Region Hatay war riesig: Mehr als 50 Prozent der Gebäude wurden zerstört. Seitdem leben die Menschen in Zelten und Containern und kämpfen darum, von der Regierung Unterstützung für den Wiederaufbau zu erhalten.
Unter den Einwohner:innen sind Khalil Dincher und seine Angehörigen. Er erinnert sich an die ersten Tage nach der Katastrophe: "Überall Regen und Schlamm. Es war schwer, ein Zelt zu bekommen. Wir schliefen in einem Ofen. Zu zweit, fast drei Wochen lang. Danach konnten wir in ein Zelt ziehen."
Die Johanniter unterstützen Menschen in Dorf weiterhin
Helfer:innen der Johanniter unterstützten die Menschen in Bözhüyük zunächst mit einer Suppenküche. "Das hat sehr gut getan, es war kalt. Wir haben zusammen entschieden, was jeden Tag gekocht wird. Die Köchin war eine Nachbarin aus dem Dorf", sagt Khalil.
Mittlerweile steht für die Bündnisorganisation die Hilfe mit Gutscheinen im Mittelpunkt. So können sich die Familien selbst mit dem versorgen, was sie am dringendsten benötigen.
Von großer Bedeutung für humanitäre Hilfsorganisationen ist die Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen. Die Johanniter arbeiten in Kahramanmaras und Hatay mit MAPS zusammen, in Gaziantep lautet der Name der Partnerorganisation Kirkayak Kültür.
Unter den Menschen, die vom Erdbeben im Februar 2023 betroffen waren, sind viele, die zuvor aufgrund des Krieges in Syrien fliehen mussten – und ihr Zuhause durch die Katastrophe erneut verloren. So wie Nahla Abdul Hai. Die 48-Jährige stammt aus Aleppo, lebt nun mit ihren vier Kindern in der Region Idlib.
Die Familie überlebte das Erdbeben, doch ihr Haus wurde zerstört. Sie teilen sich seitdem ein Zimmer in einer Gemeinschaftsunterkunft – eine belastende Situation.
Die finanzielle Unterstützung bedeutet der Alleinerziehenden viel
ADRA ermöglicht Menschen in der Unterkunft im sogenannten Cash for Work-Programm zu arbeiten. Dabei wird das Engagement von Menschen, die sich innerhalb ihrer Gemeinschaft engagieren, mit einem monatlichen finanziellen Zuschuss entlohnt. Nahla bedeutet diese Arbeit, durch die sie ihren Kindern ein besseres Leben ermöglichen kann, sehr viel. Die Alleinerziehende fühlt sich frei und unabhängig, "wie ein fliegender Vogel", sagt sie.
ADRA gehört zu den Bündnisorganisationen, die in Syrien im Einsatz sind. Dort arbeitet die Bündnisorganisation auch mit den Behörden zusammen, um Rohrleitungen, Anschlüsse und Stromgeneratoren zu reparieren und so die Trinkwasserversorgung für Zehntausende Menschen wiederherzustellen.
Mit Syrien traf das Erdbeben im Februar 2023 ein Land inmitten einer dauerhaften Katastrophe. Die Lebensbedingungen der Menschen sind durch den seit 2011 andauernden Krieg sehr schwierig, die Infrastruktur in weiten Teilen beschädigt oder zerstört.
Muhammed Dogan arbeitet als Sanitäter für Violet, eine Partnerorganisation von World Vision in Syrien. "In einem Land, in dem Krieg herrscht, gibt es viele Faktoren, die die Bevölkerung gefährden. Zu jeder Zeit", sagt er. Das Erdbeben und seine Folgen haben die Lage der Menschen im Norden des Landes zusätzlich verschärft.
Hilfe für Menschen bei Bombenangriffen
Muhammed ist seit über fünf Jahren als Sanitäter tätig. In dieser Zeit hat er gelernt, Patient:innen erste Hilfe zu leisten, sie sicher zu transportieren und wie er Menschen im Fall von Bombenangriffen schützen kann.
Wie viele Menschen in Syrien hofft Muhammed auf Frieden. Außerdem wünscht er sich, dass die ambulante Gesundheitsversorgung weiter verbessert wird. „Damit die Menschen professionell versorgt werden, bis wir sie in die Hände der Ärzte übergeben, benötigen wir moderne Krankenwagen, Ausrüstung und Ausbildung“, sagt Muhammed.
Auch World Vision ist nach wie vorfür die Menschen im Erdbebengebiet im Einsatz. Nach der akuten Katastrophenhilfe prüfen die Bündnisorganisationen zusammen mit ihren lokalen Partnern, welche Hilfe die Menschen vor Ort benötigen. So wird bedarfsorientierte Unterstützung möglich.
20 Bündnisorganisationen sind weiterhin im türkisch-syrischen Erdbebengebiet im Einsatz auf beiden Seiten der Grenze. Und diese Hilfe geht weiter – so lange wie nötig.
Weitere Geschichten aus unserem Bündnis lesen Sie in dieser Bildergalerie:
Bildergalerie: Geschichten aus der Türkei und Syrien
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