Trauma und Traumabewältigung im Kontext von Migration und Flucht
Seit 9 Jahren führt die ZWST im Rahmen des Programms „Perspektivwechsel Plus“ eine Tagungsreihe durch. Jedes Jahr fokussiert das Projekt ein anderes Thema, welches mit projekteigenen Schulungen in enger Verbindung steht und einen fachlichen und kollegialen Austausch ermöglicht. Der diesjährige Fachtag fand am 24. Mai im Rahmen des Thüringer Landesprogramms „Denk Bunt“ und in Kooperation mit dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, der Stadtverwaltung Saalfeld und dem Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (Thillm) in Saalfeld statt.
Es ging um Fragen kollektiver Gewalt und Möglichkeiten ihrer Entgegnung. Dabei fragten wir nicht nur danach, was Menschen krank macht, sondern vor allem was ihrer Gesundheit dient und welches Wissen sowie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stabilisierend, ressourcenfördernd sowie therapiewirksam sein können. Die Tagung war ein Spagat zwischen fachbezogenen (klinischen) Aspekten sowie einer eher politischen Botschaft: Vorurteile reflektieren, nicht defizitär denken, Menschen nicht zu Opfern machen, Empowerment und Selbstbestimmung ermöglichen. Rund 120 Personen – Fachkräfte im Bereich der Betreuung und Begleitung von Geflüchteten – nahmen daran teil.
Trauma und Traumatisierung
Der Begriff Trauma wird heute oftmals als Metapher verwendet. Dabei geht es nicht um belastende Stresssituationen, sondern um tiefe Einschnitte und Erfahrungen extremen Ausmaßes. Aus psychologischer Sicht ist Trauma ein Prozess der Auseinandersetzung mit einem (extrem) traumatischen Ereignis kürzerer oder längerer Dauer und von außergewöhnlicher Bedrohung.
Besonders bei mehrfachen Traumatisierungen steigt das Risiko für die Entwicklung langfristiger posttraumatischer Folgewirkungen. Im Gegensatz zu individuellen Traumatisierungen spielen jedoch bei kollektiven Traumata die gesellschaftlichen und sozialpolitischen Faktoren sowie die tief verwurzelten kollektiven Gefühle der Verstörung eine große Rolle. Es geht vor allem um Erschütterung des Grundvertrauens in psychische und körperliche Autonomie, um Irritationen von kollektiven Selbstverständnissen und grundlegenden Sicherheitsüberzeugungen sowie Weltbildern. Das Erleben von Trauma ist jedoch nicht automatisch mit ausgeprägten posttraumatischen Störungen gleichzusetzen.
Psychosoziale Interventionen
Psychosoziale Unterstützung bei Folgen extremer Traumatisierung ist definiert als die Summe derjenigen Interventionen, die sowohl die psychologischen als auch die sozialen Bedürfnisse von Einzelnen oder Gruppen ansprechen und die darauf abzielen, die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) der Betroffenen zu erhöhen. Resilienz wird hier als Fähigkeit verstanden, nach widrigen Ereignissen zur Normalität zurückzufinden und eigene Widerstandsressourcen walten zu lassen.
Ein Beispiel aus israelischer Praxis im Bereich der Krisenintervention von Terroropfern zeigt, wie wirksam eine erste psychologische erste Hilfe sein kann, die sich primär auf die Anfangsphase nach dem Ereignis bezieht. Der Ansatz basiert auf 8 Prinzipien: Kontakt und Bindung, Sicherheit und Ruhe, Stabilisierung, Informationssammlung, praktische Unterstützung, Förderung sozialer Unterstützung und Netzwerkbildung, Information über Bewältigungsmöglichkeiten, Weitervermittlung an benötigte Dienste (Brymer et al. 2005). Aus der Trauma-Forschung wissen wir, dass die protektiven Faktoren wie soziale Anerkennung und das Gefühl der Kontrolle, der Macht über die Situation sehr bedeutsam sind, um gesund zu bleiben bzw. gesund zu werden.
Infos zum Programm und Referenten hier:
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