2013 veröffentlichte die Fundamental Rights Agency (FRA) die Ergebnisse ihrer Umfrage „Erfahrungen der jüdischen Bevölkerung mit Diskriminierungen und Hasskriminalität in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union“. Nach der subjektiven Einschätzung der Befragten galt der Antisemitismus als die schwerwiegendste, persönlich erlebte Diskriminierung im Alltag.
Nicht nur die verbalen Entgleisungen, sondern vor allem die Normalisierung antisemitischer Kommunikation verunsichern die jüdische Bevölkerung zunehmend. Antisemitische Äußerungen und gar Gewalttaten werden häufig bagatellisiert und „als nicht so gemeint“ entschuldigt. Antisemitische Dispositionen werden eher als ein historisches und somit vergangenes Problem betrachtet. Die Erfahrungen mit Antisemitismus werden selten kommuniziert. Nur wenige Betroffene suchten bisher aktiv nach Beratung und handeln ihre Umgangsstrategien mit sich selbst oder im privaten Kreise aus. Die Inanspruchnahme von entsprechenden Einrichtungen ist demzufolge verschwindend gering. Die vereinzelten Beschwerden erreichen eher die jüdischen Gemeinden, die Treffpunkte für Shoah-Überlebende oder andere nicht formale Netzwerke wie die Veranstaltungen der ZWST, der Gemeinden oder des Zentralrats der Juden.
Antidiskriminierungsberatung wie auch die Beratung von Betroffenen rechter, rassistischer oder antisemitischer Gewalt gibt es in Deutschland seit rund 15 Jahren. Angesichts der gesellschaftspolitischen Anforderungen und steigenden Praxisbedarfen steht das Arbeitsfeld vor weiteren Entwicklungsschritten. Der Auslöser für die Etablierung entsprechender Einrichtungen war vor allem die mediale Debatte über rechte Gewalt und die Notwendigkeit einer nicht ausschließlich täterzentrierten Perspektive im Sommer 2000. Dieser Paradigmenwechsel – der Blick auf Betroffene – führte zur Etablierung von entsprechenden Anlaufstellen mit dem Ziel der aufklärenden Präventionsarbeit und professionellen Beratung. Inzwischen verfügt das Handlungsfeld über erprobte Qualitätsstandards, bewahrte Methoden und breitflächige Praxiserfahrungen.
Für die jüdische Gemeinschaft ist die Ausbildung zur Antidiskriminierungsberatung neu und modellhaft. Das Kompetenzzentrum der ZWST mit Sitz in Berlin richtet sich mit diesem Angebot an Mitarbeitende jüdischer Einrichtungen - Sozialarbeiter, Lehrer, Erzieher, Migrationsberater, Jugendreferenten -, die ihrerseits die Möglichkeit haben, ausgewählte Ansätze der Antidiskriminierungsberatung auf ihre Arbeit mit Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen zu übertragen und diese in die Regelstrukturen zu überführen. Das Kompetenzzentrum bildet Antidiskriminierungsberater aus, die in ihren Einrichtungen wie Schulen, Gemeinden, Jugendzentren die Betroffenen bei der Bewältigung ihrer Erfahrungen mit Antisemitismus und Diskriminierung begleiten und stärken können. Die Ausbildung startete Ende März mit 22 Teilnehmenden aus ganz Deutschland. Das erste Modul diente dem Einstieg ins Thema, der Reflexion über Motivation und Bedarfslagen sowie der Fundierung der weiteren Module.
Die Fortbildung umfasst 7 (2-tägige) Module, davon 10 Basismodule und 4 Praxismodule. Dazu kommen Supervision und Praxisbegleitung. Die in Berlin organisierte Seminarreihe findet von März 2016 bis Herbst 2017 statt, das 2. Modul wurde im Juni 2016 durchgeführt. Die Kooperationspartner sind die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (Berlin), ezra Thüringen/Erfurt (Mobile Beratung für Opfer rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt) sowie die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus RIAS (Berlin).
Weitere Infos und Termine hier:
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Bündnismitglied seit: | 2014 |
Anzahl Mitarbeiter | 120 |
Arbeitsschwerpunkte | Jüdische Wohlfahrtspflege, Förderung jüdischer Gemeinden, Aus- und Weiterbildung, Jugend- und Seniorenarbeit, Unterstützung benachteiligter Zielgruppen, Präventive Bildungsarbeit gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung, Förderung ehrenamtlicher Aktivitäten, Integrationsarbeit, Flüchtlingshilfe |
Aktionsraum | Deutschland, Israel, Staaten der ehem. Sowjetunion |
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Direktor | Aron Schuster |