Als die Erde, auf der Sharada stand, bebte, ahnte die junge Nepalesin aus Pipaltar noch nicht, dass sich diese Katastrophe irgendwann positiv auf ihr Leben auswirken würde. Große Teile ihres Heimatortes waren zerstört, die einfachen Hütten seiner Bewohner dem Erdboden gleichgemacht.
Was es jetzt brauchte, waren Maurer. Da hörte Sharada, 23 Jahre alt, von der Organisation Habitat for Humanity und ihrem Programm „Build Back Better“, das dem Prinzip folgt, beschädigte Strukturen, hier also Häuser, nicht einfach so wieder herzustellen, sondern in verbesserter Weise.
Im Mittelpunkt steht das Ziel, nicht nur möglichst schnell möglichst viele Häuser zu bauen – sondern auch solche, die dem nächsten Erdbeben standhalten. Und weil diese Häuser von Einheimischen nicht nur bewohnt, sondern auch gebaut werden sollen, bietet Habitat for Humanity die Möglichkeit, das Handwerk des Maurers zu lernen. Beziehungsweise: der Maurerin.
Trotz zunächst zahlreicher entmutigender Reaktionen aus ihrem eigenen Dorf nahm Sharada am Auswahlverfahren für die Ausbildung teil. „Ich wollte mir beweisen, dass ich all das schaffen kann, was die Jungs schaffen, und dass ich eine Frau bin, die mein Dorf inspiriert.“ Sie erzielte 18 von 20 Punkten und wurde schließlich nicht nur die erste zertifizierte Maurerin Pipaltars, sondern auch der ganzen Region Nuwakot mit über 270.000 Einwohnern.
Sharada verdient mehr als das Doppelte pro Tag nach der Ausbildung
Wie in vielen anderen Gemeinden Nepals sind die Tätigkeiten von Frauen aufgrund der gesellschaftlichen Zwänge oftmals auf Arbeiten im Haushalt und im Garten beschränkt. Auch Sharada konnte schon als junges Mädchen neben ihrer Tätigkeit als ungelernte Landarbeiterin nicht genügend Zeit für die Schule aufbringen und fiel daher, wie die meisten Mädchen im Dorf, durch ihre Abschlussprüfung.
Nach der erfolgreichen Ausbildung hat Sharada es geschafft, eine gut bezahlte und sichere Arbeitsstelle als Maurerin zu bekommen: Hier verdient sie pro Tag 1000 Rupien – das ist mehr als das Doppelte dessen, was ein ungelernter Arbeiter in Nepal bekommt. „Ich bin Habitat for Humanity sehr dankbar für die Chance, die ich bekommen habe.“ Die erste Maurerin ihres Distrikts ist stolz darauf, dass sie als Frau einen männlich geprägten Beruf ausübt und einen wesentlichen Teil dazu beiträgt, erdbebensichere Häuser zu bauen.
Doch bevor es so weit war, war erst einmal Katastrophenhilfe angesagt: Die Helferinnen und Helfer von Habitat for Humanity beseitigten in sechs Regionen 650 Tonnen Schutt, sie schufen für über 25.700 Menschen schnell vorübergehendes Obdach, verteilten 20.000 tragbare Wasserbehälter für 100.000 Menschen und halfen, über 12.100 Betroffene durch den bevorstehenden Winter zu bringen. Um den Schaden, den das Erdbeben angerichtet hatte, professionell beheben zu können, wurden über 60 Gutachter für die technische Schadenseinschätzung trainiert und über 16.200 Häuser untersucht. Anschließend wurden mit Spendengeldern 87 erdbebensichere Häuser in Pipaltar gebaut, in denen mittlerweile Familien leben.
Andere inspirieren
Wie das geht, hat sie gelernt: Die Häuser, die sie errichtet, haben ein verstärktes Fundament. In dieses werden neben Natursteinen auch Stahlträger eingebaut, die die Hauswände stärken, vor allem an den Türen und Fenstern. Das Dach dagegen ist besonders leicht konstruiert. Als Gerüst dient Bambus, das zum einen wenig wiegt und zum anderen sehr widerstandsfähig ist.
Mit ihrem Vorbild ermutigt Sharada andere Frauen, ihrem Beispiel zu folgen und eine handwerkliche Ausbildung zu beginnen. Für ihre weitere berufliche Zukunft hat sie große Pläne: Sie möchte gerne an Weiterbildungen teilnehmen und Bauunternehmerin werden. Aber zunächst plant sie, über zusätzliche Schulungen selbst als Ausbilderin zu arbeiten und so viele weitere junge Frauen zu motivieren, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und auf ihre eigenen Fähigkeiten zu setzen, denn: Beim Wiederaufbau geht es nicht allein um Häuser. Sondern um Existenzen.
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
bittet um Spenden für die Katastrophenvorsorge:
Stichwort: Katastrophenvorsorge
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