Strecken, beugen, strecken, beugen. Ma Than Nwet hält sich genau an die Anweisungen der Physiotherapeuten: Sie umklammert die Füße ihres liegenden Sohnes May Yi Thant und kräftigt durch die Bewegungen die Beinmuskulatur des Jungen. Mays Körper sieht aus wie der eines Zweijährigen, tatsächlich ist er aber bereits sechs Jahre alt. „May hat eine Wachstumsstörung, er kann zudem nicht sitzen und auch nicht sprechen“, erklärt uns die Physiotherapeutin Khine San. Mays Mutter hatte vor einigen Wochen von dem Ende 2008 in Pyapon eröffneten Therapiezentrum von Handicap International gehört. Gemeinsam mit ihrem Sohn fuhr sie sechs Stunden mit dem Boot von ihrem Heimatdorf Za Latt Kong in die Stadt zu den Handicap-Helfern. Heute ist sie bereits zum dritten Mal im Zentrum – und kann bereits erste Fortschritte feststellen: „Ich merke, dass der Kleine mehr Energie in den Beinen hat als zuvor. Die Übungen machen wir auch zuhause dreimal am Tag.“
75 Patienten am Tag
Insgesamt arbeiten rund 20 Mitarbeiter in den beiden von Handicap International betriebenen und von Aktion Deutschland Hilft finanzierten Therapiezentren in den Städten Pyapon und Labutta. Die meisten sind Physiotherapeuten, aber auch Sozialarbeiter, Streetworker, Koordinatoren und Experten im Bereich Einkommen schaffender Maßnahmen sind unter ihnen. „Hier in Pyapon besuchen uns pro Tag etwa 75 Patienten, die wir hier dann kostenlos behandeln“, erklärt Annie Lafrenière. Der 29-jährigen Kanadierin unterliegt die Gesamtleitung der beiden Einrichtungen.
Viele der fast ausschließlich aus den Armenvierteln der Stadt stammenden Patienten lassen hier ihre während des Zyklons Nargis erlittenen Verletzungen behandeln. Selbstverständlich werden aber auch jene Kinder, Frauen und Männer aufgenommen, deren Leid nichts mit Nargis zu tun hat: Schlaganfälle, spastische Lähmungen oder Polio sind dabei die gängigsten Beschwerden. „Viele Menschen können nicht laufen und werden daher von ihren Verwandten in Fischernetzen zu uns gebracht“, sagt Annie. „Wir schicken unsere Mitarbeiter aber auch mit Booten in die abgelegenen Dörfer, um die Behinderten zu behandeln. Außerdem verteilen wir Radios, damit die Menschen über heraufziehende Unwetter informiert sind.“ Wichtig sei auch der Kontakt zu anderen Hilfsorganisationen, um die Bedürfnisse der Dorfbewohner besser einschätzen und entsprechend handeln zu können.
Krücken aus Bambusstöcken
Wo es möglich ist, gibt Handicap International kostenfrei Gehhilfen und Rollstühle aus, wenngleich der Bedarf natürlich ungleich größer ist als der Bestand. Annie: „Alternativ erklären wir den Menschen, wie sie sich aus natürlichen Bambusstöcken stabile Krücken bauen können. So wie es zum Beispiel Aye Win getan hat. Auf das Haus des 60-Jährigen ist während des Zyklons ein Baum gefallen und hat Aye mit voller Wucht in Brusthöhe getroffen. Wochenlang konnte er sich nicht bewegen, an das von ihm so geliebte Fußball spielen war nicht mehr zu denken.
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