Mitwoch, 13. November
Cebu
Wir kämpfen uns mit einem Van vorwärts in den Norden. Ein Tag zuvor war die Fahrt nur mit Motorrädern möglich. Nach drei Stunden die ersten abgedeckten Dächer, geköpfte Palmen, die wie große Stelzen im Raum stehen. Immer mehr Kinder laufen auf uns zu, halten selbst bemalte Schilder hoch: „Help us!“, „We need water!“ oder „We need food!“. Bald steht kaum ein Haus mehr. Manche Menschen haben sich Notunterkünfte aus Wellblech oder Zeltplanen gebaut. Die hölzernen Betten stehen unter freiem Himmel. Vor einem Bretterhaufen hocken die Saysons – Eltern und sieben Kinder. „Wir waren in
einer Schule evakuiert“, erzählt Mutter Margarita. „Als ich zurückkam und sah, dass alles, aber auch alles kaputt war – musste ich erst einmal lachen.“ „Lachen?“, frage ich irritiert. Eine Art Schutzmechanismus, meint der Übersetzer. Wir müssen helfen. Allen Widrigkeiten zum Trotz. Und zwar schnell.
Donnerstag, 14. November
Tabogon
In einem Konvoi von 15 Kleinbussen und Lastwagen fahren wir Richtung Nordosten. Nach vier Stunden sehen wir schon von Weitem: Menschenmassen vor einem Schulgebäude in Tabogon. An der Einfahrt schwerbewaffnete Polizisten. Vor einigen Tischchen stehen die Menschen an und lassen sich registrieren. Seit dem Sturm lebt das Dorf von Bananen. Heute verteilt World Vision die ersten Hilfsgüter: Reis, Bohnen, Fischkonserven, Öl und proteinreiche Kekse, Trinkwasser, Seifen. Tim Costello, Chef von World Vision
Australien, spricht von „einem großen Moment“. Das Überleben von 6000 Menschen ist für zwei Wochen erst einmal gesichert. Ich gebe zu: Ich war vor der Verteilung nervös. Die Meldungen von Übergriffen häuften sich. Aber die Filipinos beeindrucken mich von Tag zu Tag mehr. Sie durchleben die schlimmsten Stunden ihres Lebens. Und sie tun dies mit einem Lächeln. Natürlich weinen sie auch, viel sogar – aber dann lachen sie wieder.
Freitag, 15. November
Sumimba
Unsere Gruppe teilt sich heute auf. Ich bleibe in Cebu-City. Anfragen zur Lage vor Ort stapeln sich. Deutsche Medien kritisieren, dass alles so lange dauert.
Aber eine Armada von Lkws und Räumfahrzeugen wäre für diese Katastrophe nötig. Am Abend kommt ADRA-Mitarbeiter Fritz Neuberg aus Sumimba zurück. Als „surrealistisch“ beschreibt er die Atmosphäre. Häuser, die aussahen, als ob eine Riesenfaust sie eingedrückt habe. Ein Jahr, glaubt Neuberg, werde es dauern, bis sich das Leben normalisiere. „Aber was der Taifun in den Seelen verwüstet hat, sieht man nicht“, sagt er.