von Aktion Deutschland Hilft
Im Sudan spielt sich die größte Vertreibungskrise auf unserer Erde ab. Und das seit nunmehr zwei Jahren. Ein eskalierter Konflikt zwischen zwei Generälen, fast 13 Millionen Geflüchtete, Tausende Tote: Es ist eine humanitäre Katastrophe.
Krieg im Sudan: Nirgends sonst sind so viele Kinder auf der Flucht
Die Hauptleidtragenden sind die Kinder. Fast 14 Millionen sudanesische Kinder sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Schätzungsweise 5 Millionen Kinder mussten fliehen – so viele wie nirgends sonst auf der Welt. Ihr Leben ist geprägt von Gewalt, Angst und Ungewissheit.
Trotzdem bekommt der Sudan nur wenig öffentliche Aufmerksamkeit. Darum lassen wir hier Helfer:innen von vor Ort zu Wort kommen. Sie berichten, was sie bei ihrer Arbeit erleben.
Das erleben Helfende jeden Tag
Nagmeldin von World Vision: "Ich bemühe mich, Menschen durch meine Arbeit Hoffnung zu bringen"
Seitou von Handicap International: Ein Leben in Würde für Geflüchtete und Verletzte
Alseed vom ASB: "Eine der größten Vertreibungen der Geschichte – und die Welt schaut weg"
Mohamed von CARE: "Es besteht die Gefahr, die Einheit des Landes zu verlieren"
Nagmeldin arbeitet für unsere Bündnisorganisation World Vision im Sudan. Er bietet Schulungen zu friedensfördernden Maßnahmen und zum Schutz von Kindern vor Gewalt an. Dabei spricht er mit Frauen und Männern, darunter Führungspersönlichkeiten in Gemeinden, auch über verbreitete Formen geschlechtsspezifischer Gewalt.
Manchmal sei es schwierig, Menschen davon zu überzeugen, schädliche Praktiken wie Genitalverstümmelung aufzugeben, sagt er. Aber er sieht eine allmähliche Verhaltensänderung: "Ich freue mich auch, dass in den Dörfern, in denen ich arbeite, das Bewusstsein für die Risiken von Gewalt gegen Frauen und die Bedeutung des Kinderschutzes wächst." Und: "Jeden Tag bemühe ich mich, den Menschen durch meine Arbeit Hoffnung zu bringen."
Zur aktuellen Lage im Sudan berichtet er:
"Seitdem die gewalttätigen bewaffneten Auseinandersetzungen am 15. April 2023 ausgebrochen sind, hat sich die humanitäre Lage im Sudan erheblich verschlechtert. Im ganzen Land herrscht ein extremer Mangel an Nahrung, Wasser, Medikamenten und Treibstoff. Ich beobachte, dass sich Hunger immer weiter ausbreitet und vor allem die schwächsten Menschen im Land trifft. Darunter auch Binnenvertriebene, die in Camps leben.
Inzwischen sind Millionen Menschen im ganzen Sudan von einer Hungersnot bedroht. Armut hat wegen des Krieges massiv zugenommen, weil viele Menschen weder Landwirtschaft betreiben noch Jobs finden können. Auch der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen ist unterbrochen, wobei städtische Haushalte besonders betroffen sind.
Für mich sind die Lebenshaltungskosten in die Höhe geschnellt. Mein Gehalt reicht kaum noch aus, um meine persönlichen Ausgaben zu decken. Einen kleinen Teil spare ich, um meine Familie zu unterstützen, die derzeit in einem Nachbarland lebt.
Keine Chance auf Schulbildung
Der Konflikt hat Millionen von sudanesischen Kindern die Chance auf Bildung genommen. Mehr als 90 Prozent der 19 Millionen schulpflichtigen Kinder des Landes haben keinen Zugang zu formaler Bildung und sind jetzt oft sich selbst überlassen.
Ich habe Freunde und Verwandte, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken können. Entweder, weil das Schuljahr in einigen Teilen des Landes ausgesetzt wurde. Oder weil sie es sich nicht leisten können, die hohen Schulgebühren in Gebieten zu bezahlen, in denen die Schulen noch offen sind.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es ein echter Albtraum ist, im Sudan krank zu werden. Das Gesundheitssystem leidet unter einem akuten Mangel an Personal, finanziellen Mitteln und medizinischem Material. Es kommt immer wieder zu Angriffen, Plünderungen und Besetzungen von medizinischen Einrichtungen und Krankenhäusern. Eigentlich gut behandelbare Krankheiten fordern viel zu oft einen tödlichen Tribut. Die Todesrate durch Cholera ist im Sudan inzwischen dreimal so hoch wie im weltweiten Durchschnitt.
Geschlechtsspezifische Gewalt nimmt zu
Angesichts der hohen Unterernährungsraten, des geschwächten Gesundheitssystems und des geringen Impfschutzes werden Krankheitsausbrüche weiterhin katastrophale Auswirkungen haben. Besonders für Kinder.
Der Krieg im Sudan hat verheerende Auswirkungen auf Kinder und auch auf Frauen. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen waren bereits vor Ausbruch der Kämpfe mehr als 3 Millionen Frauen und Mädchen im Sudan von geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht. Wir hören nun aus vielen Regionen erschütternde Berichte von Vergewaltigungen und schweren Kinderrechtsverletzungen.
Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, -ausrüstung und -personal führen dazu, dass Frauen und Mädchen keine lebensrettende Versorgung erhalten, wobei schwangere Frauen am stärksten betroffen sind. Angriffe auf Mitarbeiter humanitärer Organisationen machen es schwieriger, lebensrettende Hilfe bereitzustellen.
Ein großer Bedarf an Hilfe
Ich glaube, dass der Bedarf an Hilfe für die Menschen im Sudan weiter wächst. Trotz der großen Anstrengungen der UN-Organisationen und NGOs, die riesigen Lücken in der Versorgung zu schließen, die durch diesen brutalen Konflikt entstanden sind. Gleichzeitig sind die Mittel zur Deckung dieses Bedarfs begrenzt.
Man kann den Sudankrieg leider als vergessene Krise bezeichnen. Denn trotz der enormen Zerstörungen im Land unternimmt die internationale Gemeinschaft nur sehr wenig, um die Krise zu bewältigen. Es wird kein wirklicher Druck auf die Kriegsparteien ausgeübt, ernsthafte Schritte in Richtung Friedensbildung zu unternehmen."
World Vision ist seit 2004 im Sudan vor Ort und leistet den Menschen Nothilfe – auch während des Krieges. Schwerpunkte sind Nahrungsmittelhilfe, die Versorgung mit sauberem Trinkwasser, die medizinische Versorgung und psychosoziale Unterstützung.
Seitou ist Physiotherapeut und Mitglied des Reha-Teams von Handicap International (HI). Seit Juli 2024 arbeitet er an einem Nothilfe-Gesundheitsprojekt im Osten des Tschads.
Als Physiotherapeut sorgt er dafür, dass die Menschen Mobilitätshilfen wie Gehstöcke und Rollstühle und eine schnelle Reha-Behandlung bekommen. Zu seiner Arbeit gehört auch, Menschen den Zugang zu Prothesen zu ermöglichen. Das Ziel: mehr Selbstständigkeit und ein selbstbestimmtes Leben in Würde.
Fast 800.000 Menschen sind aus dem Sudan in den Tschad geflohen. Viele von ihnen mit Verletzungen aus dem Krieg in ihrer Heimat. Hier erzählt Seitou aus seinem Alltag als Helfer:
"Die Krise im Sudan hat Tausende von Toten und Verwundeten gefordert, darunter viele Menschen, die Reha-Maßnahmen brauchen. Zu den Betroffenen gehören Menschen mit Schusswunden und Verletzte nach Sprengstoffanschlägen oder Bombardierungen. Diese Menschen werden zunächst von Médecins Sans Frontières (MSF) Frankreich medizinisch und chirurgisch versorgt, bevor sie an unsere Dienste für körperliche und funktionelle Rehabilitation überwiesen werden.
Zu meiner Arbeit gehört dann auch, an die psychosozialen Hilfsdienste von Handicap International zu verweisen. Das ist ein Ansatz, der in unsere Rehabilitationsmaßnahmen integriert ist und den Menschen hilft, widerstandsfähiger zu werden. Und es steigert ihr Wohlbefinden und sorgt damit letztlich für mehr Lebensfreude.
Trotzdem stehen wir vor einer Reihe von Herausforderungen. Viele unserer Hilfeempfänger mit Rehabilitationsbedarf wurden in verschiedene Flüchtlingscamps umgesiedelt. Unsere derzeitigen Ressourcen erlauben es uns aber nicht, in allen Camps Hilfe zu leisten.
Neue Lebensfreude durch mehr Teilhabe
Hinzu kommt: Es gibt im Osten des Tschads keine orthopädischen Versorgungszentren. Wir mussten daher einen Vertrag mit einem Zentrum weit entfernt von der Region im Süden des Landes abschließen. Das ist mit erheblichen Kosten für die Mission der Orthopäden verbunden. Dadurch ist die Zahl der Menschen, denen Handicap International orthopädische Prothesen liefern kann, begrenzt.
Was mich immer wieder am meisten beeindruckt, ist, zu sehen, wie Menschen, die alle Hoffnung verloren hatten, ihre Lebensfreude wiederfinden! Sie sind entschlossen, trotz aller Verluste und Verletzungen ihre Unabhängigkeit wiederzubekommen.
Und sie sind entschlossen, sich die technischen Hilfsmittel, die ihnen zur Verfügung stehen, zu eigen zu machen und sie in vollem Umfang zu nutzen, um sich wieder in das gesellschaftliche Leben zu integrieren. Ihr Mut und ihre Hoffnung sind für mich jeden Tag eine Quelle der Inspiration."
Handicap International ist für die Menschen im Tschad im Einsatz und versorgt dort die verletzten sudanensischen Geflüchteten, die der Krieg in ihrer Heimat zur Flucht zwang. Viele von ihnen sind auf physische Rehabilitation und auf psychosoziale Unterstützung angewiesen.
"Eine der größten Vertreibungen der Geschichte – und die Welt schaut weg"

Alseed arbeitet für den Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) im Sudan. Zusammen mit vielen anderen Helferinnen und Helfern versucht er, möglichst viele Menschen zu retten. Doch nach zwei Jahren Krieg und Kürzungen in der humanitären Hilfe werden die Herausforderungen größer.
Der ASB liefert wichtige Produkte des täglichen Bedarfs wie Seife, Zahnpasta und Damenbinden.
Und sauberes Wasser mithilfe von solarbetriebenen Filtern. Die Hilfsorganisation arbeitet dafür mit lokalen Partnern zusammen, um die Wasserversorgung in den Städten sicherzustellen.
Über das, was Alseed jeden Tag bei seinem Einsatz als Helfer erlebt, berichtet er:
"Mein Name ist Alseed, ich bin Sudanese, und ich arbeite für den ASB in Omdurman im Sudan, um Familien zu helfen, die unter dem Krieg leiden. Ich möchte Ihnen von einer Krise erzählen, die die Welt vergessen hat.
Der 15. April 2023 ist ein Datum, das für jeden Sudanesen schmerzhaft ist. Wir sind aufgewacht und es war plötzlich Krieg. Wir haben geglaubt, dass er in wenigen Tagen zu Ende sein würde. Aber zwei Jahre später sind wir immer noch hier - und weinen um verlorene Häuser, verlorene Leben und verlorene Kindheiten.
Stellen Sie sich vor, Sie fliehen aus Ihrer Heimat, nur mit den Kleidern, die Sie am Leib tragen. Millionen Sudanesen sind aus ihrer Heimat geflohen. Kinder, Mütter, Großeltern - sie laufen tagelang unter der Sonne, um Sicherheit zu finden. Aber im Sudan ist kein Ort mehr sicher.
Das Überleben ist ein Kampf
Vertriebene Mütter fliehen und beten, dass es in der nächsten Stadt sauberes Wasser oder eine Klinik gibt. Aber selbst dort ist das Überleben für diejenigen, die den Bomben entkommen sind, ein Kampf.
In den Lagern verbreitet sich die Cholera wie ein Lauffeuer. Sauberes Wasser? Ein Luxus. Eine Mutter tauscht ihr Kopftuch gegen ein Stück Seife. Ein Kind trinkt aus einer Pfütze, weil es keine andere Wahl hat. Das ist die Realität für Millionen Menschen. Schulen? Verschwunden. Hoffnung? Schwindet.
Eine einfache Infektion wird schnell tödlich
Wir vom ASB kämpfen mit unseren sudanesischen Partnern für Würde. Wir installieren solarbetriebene Wasserfilter in Camps wie in der Stadt Gedaref, wo Familien einst glaubten, Sicherheit zu finden - bis der Krieg kam. Wir verteilen Seife und Menstruationspakete. Aber auf jede Familie, die wir erreichen, warten zehn weitere.
Krankenhäuser liegen in Trümmern. Eine einfache Infektion wird schnell tödlich. Da die US-Finanzierung eingefroren ist, hängt unsere Arbeit am seidenen Faden. Die Welt schaut weg.
Aber die Menschen im Sudan? Sie ernähren sich gegenseitig. Kostenlose Garküchen werden von Freiwilligen betrieben. Nachbarn teilen sich Decken. Doch auch die Widerstandsfähigkeit hat ihre Grenzen. Eine Mutter sagte mir einmal: 'Ohne Hilfe werden wir hier sterben.' Ihre Worte verfolgen mich.
Und doch ist die Widerstandskraft der Sudanesen außergewöhnlich. Aber diese Krise stellt uns in den Schatten. Über 12 Millionen Menschen wurden vertrieben - eine der größten Vertreibungen der Geschichte. Und die Welt schaut weg."
"Es besteht die Gefahr, die Einheit des Landes zu verlieren"

Mohamed leitet das CARE-Büro in Süd-Darfur, im Sudan. Die Hilfsorganisation ist in mehreren Bundesstaaten im Land im Einsatz, für Binnenvertriebene, Geflüchtete und auch für die Aufnahmegemeinschaften.
Auch Mohamed und seine Familie sind von den Kämpfen im Land betroffen. Er erzählt:
„Ich lebe in Süd-Darfur, das vollständig von der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) kontrolliert wird. Meine Familie und ich sind von einem Ort zum nächsten gezogen, um dem Beschuss und der Bombardierung aus der Luft zu entgehen. Auch wir lebten in provisorischen Unterkünften als Binnenflüchtlinge. Jetzt befinden sich meine Frau und mein Sohn als Geflüchtete außerhalb des Sudans.
Nach Ansicht vieler unterschiedlicher Menschen, darunter Gemeindevorstände, Frauen, Jugendliche, Projektteilnehmende, scheint es möglich, dass die unsichere Lage im Land zu einer dramatischen geografischen und gesellschaftlichen Trennung führen könnte.
Kluft zwischen den Gemeinschaften
Es gibt generell eine große Unsicherheit. Unterschiedliche Akteure verfolgen gegensätzliche Interessen und die Entscheidungen liegen nicht mehr unter einer Führung. Die Situation könnte für längere Zeit so bleiben, mit einem hohen Maß an Verletzung der Menschenrechte. Und am Ende besteht die Gefahr, die Einheit des Landes zu verlieren.
Seit Beginn des Konflikts ist eine große Kluft zwischen den ganzen Gemeinschaften entstanden. Es fehlt an Vertrauen. Hinzu kommt der Zusammenbruch der Finanzlogistik, der Justiz, der Regierungsführung und der Existenzgrundlagen sowie die Zerstörung der Wirtschaft und massive demografische Veränderungen.
Positiv zu nennen ist, dass wir in dieser Zeit neue Bewältigungsmechanismen erlernt haben und verdeckte Probleme bewusster wahrnehmen und ansprechen.“
Zur Hilfe von CARE im Sudan gehören lebensrettende Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit und Ernährung, Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene, Schutz, Bargeldhilfe und die Unterstützung bei der Existenzsicherung.
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