Simraj Danuwar, Community Officer bei Habitat for Humanity
Menschen von der Nordhalbkugel steigen ins Flugzeug, um armen, bemitleidenswerten Menschen im Süden zu helfen? So sieht humanitäre Hilfe schon lange nicht mehr aus. Längst gibt es hoch qualifizierte, motivierte Einheimische, die am besten wissen, was ihre Gemeinschaft braucht. Simraj Danuwar, 27 Jahre, Community Officer bei Habitat for Humanity, ist einer von ihnen. „Das hier ist meine Gemeinde: Pipaltar im Bezirk Kavre. Hier bin ich aufgewachsen, hier leben meine Eltern und meine kleine Schwester. Für Habitat for Humanity arbeite ich als Community Officer. Ich organisiere und mobilisiere die Gemeinschaft und bin ihr Sprachrohr nach außen.
Das hier ist ein Stammesdorf. Die meisten von uns sind Bauern. Ich bin das erste Kind im ganzen Dorf, das Englisch spricht und auch das erste, das ein College besucht hat. Als Kind sah mein Tag so aus: Um fünf Uhr morgens klopfte mein Vater an meine Tür. Ich sollte Trinkwasser für unsere Büffelkuh holen. Er molk sie derweil, dann brachte ich die Milch in die Stadt. Wieder zu Hause, aß ich und ging zur Schule. Wenn ich nachmittags zurückkam, holte ich wieder Trinkwasser oder half auf dem Feld. Abends machte ich die Hausaufgaben.
„Die Menschen in Dubai leben ein Märchenleben“
Meine Eltern haben bis zur siebten Klasse Schulgeld für mich bezahlt. Nach der Highschool hatte ich zu wenig Geld fürs College, und auch meine Eltern konnten mich nicht unterstützen. Deshalb ging ich nach Dubai, um zu arbeiten. Als Verkäufer, zuerst in einem Möbelladen, dann in einem Parfümladen in der Innenstadt. Nicht groß, aber mit vielen Kunden. Vor diesem Laden parkten Menschen in einem Lamborghini oder einem dicken Mercedes. Sie stiegen aus, kamen rein und bezahlten 1000 Dollar für ein Parfüm. Ich habe diese Leute gesehen, sie leben ein Märchenleben.
Die Leute hier in der Gegend leben ein unvollkommenes Leben. Sie hoffen auf Wohlstand. Aber nicht auf ein riesiges Haus, ein schickes Auto oder tolle Kleidung. Sie hoffen auf eine Zeit, in der sie sich keine Sorgen mehr um die nächste Mahlzeit machen müssen. Egal, ob man Millionen Dollar zur Verfügung hat oder noch nicht einmal ein Haus: Der Hunger ist immer da. Alle Menschen suchen nach Glück. Manche durch Geld. Die Leute hier in Pipaltar sind glücklich, wenn sie Hoffnung schöpfen.
"Sehr glücklich darüber, mein Dorf unterstützen zu können"
Die Helfer, die hierher kommen, sind Botschafter der Hoffnung. Auch ich als Community Manager kann den Menschen Hoffnung bringen. Ich kann Streit schlichten. Ich kann bei der Bürokratie dafür sorgen, dass eine Familie, die ein Stück Land seit Jahrzehnten bewirtschaftet, dieses Land endlich juristisch stichfest zugeschrieben bekommt.
Als das Erdbeben passierte, arbeitete ich in einem anderen Dorf für Habitat for Humanity. Als sie einen Community Officer für Pipaltar suchten, machten sie mir ein Angebot. Ich bin sehr glücklich darüber, mein Dorf, meine Gemeinschaft unterstützen zu können. Aber allein mit Hoffnung und gutem Herzen ist auch niemandem geholfen. Ich werde weiter studieren, einen Master machen. Vielleicht spezialisiere ich mich auf Katastrophenhilfe und Wiederaufbau. Vielleicht aber kehre ich auch hierher in mein Heimatdorf zurück. Als Bauer. Mit einem Businessplan. Und einem eigenen Haus. Das ist Wohlstand.
„Gegen das Erdbeben hatten die Mauern keine Chance“
Traditionelle Häuser sind in dieser Gegend aus Natursteinen oder gebrannten Ziegeln gebaut. Die Wände sind sehr dick, etwa 60 Zentimeter, aber der Lehm, mit dem sie verputzt sind, stabilisiert die Wände nur zum Teil. Gegen das Erdbeben hatten die Mauern keine Chance, und auch die Fundamente, Türen und Fenster hielten nicht stand.
Als wir den Schaden begutachteten, mussten wir einsehen, dass wir uns vom traditionellen Hausbau verabschieden müssen, wenn wir künftig erdbebensicher bauen wollen. Die neuen Häuser sollen stabil sein, aber auch günstig und soweit wie möglich aus lokalen Materialien hergestellt werden. Davon müssen wir die Menschen nach und nach überzeugen.
Hinter mir steht ein „Testhaus“, bei dem wir versucht haben, dies umzusetzen. Die Fundamente sind aus Beton gegossen, die tragenden Teile aus Stahlbeton. Die Wände aber bestehen aus Ziegeln, der Dachstuhl aus Bambus. Traditionell ist es so, dass eine Familie ein einstöckiges Haus baut. Gründet ein Sohn eine neue Familie und hat genügend Geld, wird er ein zweites Stockwerk darauf setzen, der nächste Sohn vielleicht ein drittes – diese Last hält unser Testhaus mit Leichtigkeit aus. Diese Tradition musste unbedingt aufgegriffen werden. Es ist also kein traditionelles Haus, aber es respektiert die hiesigen Gebräuche.
„Einfache Arbeiter haben unter Anleitung viel gelernt“
Und die Bewohner haben es selbst gebaut! Habitat for Humanity betrachtet seine Unterstützung beim Baumaterial als Darlehen. Im Gegenzug muss jedes arbeitsfähige Haushaltsmitglied 200 Arbeitsstunden nachweisen – beim Abreißen und Wegschaffen der Trümmer, Reparieren der Straßen oder beim Hausbau. Wir brauchten für den Bau keine bezahlten Handwerker von außerhalb. Hier gibt es Maurer, Betonarbeiter, Schreiner. Auch viele einfache Arbeiter haben unter Anleitung eine Menge gelernt – im Idealfall schaffen sie sich durch ihre neuen Fähigkeiten eine neue, bessere Existenzgrundlage.
Das alles macht die Straßen und Häuser zu ihren Häusern. Und es bringt die Bewohner näher zusammen. Während der Abrissphase haben 150 Einwohner zusammen gearbeitet und zusammen gegessen. Man hat gefühlt, dass der Gemeinsinn dadurch gestiegen ist. Und die Leute vom Dorf, die unser Testhaus besichtigen, sind sehr angetan davon. Das Haus kostet gut 7000 US-Dollar – das ist sehr viel Geld für die Menschen hier. Ein traditionelles Haus kostet etwa die Hälfte. Aber die Leute verstehen: Das neue Haus wird länger halten.“
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