von Aktion Deutschland Hilft
Mit ihren schmalen Fingern fährt Gressy ihren sehnigen Arm entlang. Die zierliche Frau will so zeigen, was der Hunger mit ihrem Körper gemacht hat. Denn alles, was die 72-Jährige in den vergangenen Tagen zu sich genommen hat, war ein wenig Zucker. Den hatten ihr Nachbar:innen abgegeben, die wie Gressy in der Provinz Matabeleland im südlichen Simbabwe leben.
Die monatelange Hitze ist jedem anzusehen
Seit Monaten gab es in der Region keinen Regen. Die ständige Hitze ist jedem und allem anzusehen: den ausgetrockneten Bachläufen und vertrockneten Büschen, den nach Gras suchenden Eseln und Ziegen am Straßenrand sowie den Menschen, die hier leben. Menschen wie Gressy. Sie wohnt mit ihrem Bruder zusammen, ihr Sohn lebt mit seiner Familie in der Umgebung. Der Übersetzer nennt sie im Gespräch immer wieder Gogo, denn so heißen Großmütter in Simbabwe.
Heute ist ein guter Tag für Gressy. 20 Kilogramm Maismehl, zwei Liter Speiseöl und fünf Kilogramm Bohnen sind der Grund dafür. Das Nahrungsmittelpaket wird Gressy und ihre Familie für vier Wochen vor dem Hunger schützen.
Die Hilfe kommt an diesem Morgen auf dem Motorrad
Ein Mitarbeiter von Help – Hilfe zur Selbsthilfe hat das Paket an diesem Morgen auf einem Motorrad zu Gressys Grundstück gefahren. Ausgetrocknete Wege führen zu den kleinen Hütten. Als der Helfer ankommt, sitzt Gressy auf einer Decke unter einem kargen Baum, der ein wenig Schatten wirft. Die Freude über die gefüllten Tüten lässt Gressys Augen aufleuchten, sie lacht.
Diese Hilfe ist Teil der gemeinsamen Spendenaktion von WDR und Aktion Deutschland Hilft. Das Motto in diesem Jahr: Gemeinsam gegen den Hunger in der Welt. Mit den gesammelten Spenden werden die Bündnisorganisationen über 30 Hilfsprojekte umsetzen. Help ist – aufgrund der dramatischen Situation im Süden Simbabwes – für dieses Projekt in Vorleistung gegangen.
Auch 2024 sammeln WDR und Aktion Deutschland Hilft gemeinsam Spenden in der Vorweihnachtszeit. Das Motto in diesem Jahr: Gemeinsam gegen den Hunger in der Welt.
Übersicht: So hilft unser Bündnis
Interaktive Karte: Geförderte Projekte
Rückblick: Spendenaktion 2023
Seien Sie auch in diesem Jahr wieder dabei und helfen Sie – mit Ihrer Spende! Vielen Dank.
Help – Hilfe zur Selbsthilfe ist eine von mehr als 20 Bündnisorganisationen von Aktion Deutschland Hilft. Diese werden das Geld, das in diesem Jahr gesammelt wird, weltweit in über 30 Hilfsprojekten für Menschen einsetzen, die von Hunger betroffen sind. In Simbabwe stellt Help 900 Haushalten über sechs Monate lebensnotwendige Nahrungsmittelpakete bereit und unterstützt den Neubau von Brunnen in der Region.
Help ist seit 1992 in Simbabwe tätig und unterstützt seither gemeinsam mit Mitarbeiter:innen und lokalen Partnerorganisationen die Bevölkerung. 1992 herrschte eine schwere Dürre in Teilen des Landes – wie auch heute. Damals wie heute geht es dem Team von Help um Menschen, deren Alltag von Hunger geprägt ist.
"Es ist so, so trocken"
"Es ist so, so trocken, besonders in dieser Gegend", sagt Barbra Mhlanga, Landesdirektorin von Help, beim Interview in Matabeleland. "Brunnen trocknen aus. Die Menschen haben weder genug Wasser für sich noch für ihre Tiere. Rinder sterben. Im ganzen Land gibt es zu wenig Getreide, es wächst einfach zu wenig. Die Ernteverluste sind enorm. Wenn das Wetter so heiß bleibt, wird sich die Lage der Menschen weiter zuspitzen. Hier vor Ort sehen wir: Menschen kämpfen mit dem Leben, sie sind so verletzlich."
Barbra ist seit mehr als 20 Jahren in der humanitären Hilfe tätig. Sie leitet die Aktivitäten von Help in Simbabwe, arbeitet eng mit dem Büro in Deutschland sowie internationalen Partnern und den Mitarbeiter:innen in den Projektregionen zusammen. Die gemeinsamen Ziele: den Hunger lindern, die Selbsthilfekräfte der Menschen stärken, nachhaltige Landwirtschaft fördern. "Den Menschen helfen, sich selbst zu helfen. Das ist das Prinzip, nach dem wir arbeiten. Selbst über die kleinste Spende freue ich mich riesig, weil ich weiß, dass wir damit etwas bewirken können", sagt Barbra.
Aufgrund des Klimawandels wachsen die Herausforderungen
Doch die Herausforderungen wachsen – etwa mit Blick auf das Klima. Die 72-jährige Gressy sagt, früher habe sie in den Hügeln rund um ihr Grundstück noch Wasserquellen aufsuchen können. Das Wasser, das sie heute an einem nahen Brunnen erhält, sei sehr salzig.
Einige Kilometer von Gressys Zuhause entfernt gibt es einen See, dessen Wasserstand so niedrig ist wie zuletzt vor 28 Jahren. Durch den dunklen Boden, der einst Seegrund war, ziehen sich große Risse. Es ist sehr staubig, es ist sehr heiß. "Ich habe das Gefühl, dass es jedes Jahr noch schlimmer wird. Die Regenzeit hätte schon vor Wochen beginnen sollen", sagt Barbra.
"Nicht mehr so vorhersehbar wie früher"
Es scheint, als würde an diesen Novembertagen ganz Simbabwe auf Regen warten. Und nicht auf irgendeinen Regen. Es gehe um ergiebigen Regen, erklärt Jacqueline Anderson, die in der Hauptstadt Harare die Hilfsorganisation Miracle Missions Trust leitet. "Doch wann dieser Regen kommt, ist nicht mehr so vorhersehbar wie früher", sagt Anderson weiter. Ihre Organisation arbeitet eng mit Kinderhilfswerk GLOBAL CARE zusammen, einer weiteren Bündnisorganisation von Aktion Deutschland Hilft.
Die Zusammenarbeit begann 2018, kurz nach Zyklon Idai. 270.000 Menschen waren allein in Simbabwe von den Auswirkungen des Wirbelsturms betroffen. Sintflutartige Regenfälle zerstörten Häuser, vernichteten Ernten. Die Folgen sind an manchen Orten immer noch zu sehen. Als nächster Schock folgte 2020 die Corona-Pandemie mit ihren Auswirkungen auf das Gesundheits- und Bildungssystem sowie die Wirtschaft des Landes.
Ein Name, der immer wieder fällt: El Niño
Auch 2024 gibt es hohe Ernteverluste. In diesem Jahr jedoch nicht aufgrund von Regen, sondern aufgrund von hohen Temperaturen. Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen ist die Maisproduktion in Simbabwe im Vergleich zum Vorjahr um 72 Prozent zurückgegangen. Ein Name, der im Gespräch mit Mitarbeiter:innen von Hilfsorganisationen dazu immer wieder fällt: das Klimaphänomen El Niño. Es sei der Grund für die extreme Dürre.
Ein "komplexes Zusammenspiel von Ozean und Atmosphäre", so bezeichnet das GEOMAR Helmholtz-Zentrum das natürliche Klimaphänomen El Niño, das im Mittel alle vier Jahre auftritt. Die damit einhergehende Erwärmung erfasst den gesamten östlichen und zentralen tropischen Pazifik. Die Wissenschaftler:innen des GEOMAR haben erforscht, welchen Einfluss der menschengemachte Klimawandel auf El Niño hat: "Die Auswirkungen von El Niño werden sich in einer wärmeren Welt zwangsläufig intensivieren. Ausbleibender Regen wird zu noch schwereren Dürren, Regenmassen werden zu noch stärkeren Überschwemmungen führen", sagt Professor Dr. Mojib Latif, der sich auch als Botschafter für Katastrophenvorsorge von Aktion Deutschland Hilft engagiert. "Dadurch sind immer größere Schäden zu erwarten und es wird immer schwieriger werden, sich anzupassen."
Fünf Länder haben Dürrekatastrophen ausgerufen
Die Dürre macht vor keiner Landesgrenze halt: Im südlichen Afrika sind im September 2024 fast 27 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen. Fünf Länder hatten bis dahin nationale Dürrekatastrophen ausgerufen: Lesotho, Malawi, Namibia, Sambia und Simbabwe. Oft sind die geringen Nahrungsmittelreserven aufgebraucht, zudem wirkt sich die extreme Trockenheit auf Wasserqualität, Sanitärversorgung und Gesundheit aus.
Weltweit hungern 783 Millionen Menschen in 47 Ländern. Davon sind mehr als 168 Millionen Menschen in 43 Ländern von lebensbedrohlichem Hunger bedroht. Besonders betroffen sind Länder des sogenannten Globalen Südens wie Nigeria, der Sudan, Bangladesch, Myanmar und Afghanistan. Allein im Sudan, dem Gazastreifen, dem Südsudan und Mali sind aktuell rund 1,33 Millionen Menschen akut vom Hungertod bedroht.
Zahlen & Fakten zu Hungersnöten: Erfahren Sie mehr!
70 Prozent der Menschen mit akuter Ernährungsunsicherheit leben in Gebieten, die von Krieg und Gewalt heimgesucht werden. Konflikte führen zu Vertreibung, zur Vernichtung der Einkommensquellen und Zerstörung der Wirtschaft. Auch der Klimawandel spielt eine entscheidende Rolle. Die Trockenheit vernichtet Ernten, lässt Tiere verhungern und Nahrungsmittelpreise in schwindelerregende Höhe steigen. Oft folgen auf die Trockenphasen schwere Regenfälle, die Felder und Lebensraum zerstören.
Ursachen von Hunger: Erfahren Sie mehr!
Bündnisorganisationen von Aktion Deutschland Hilft sind weltweit im Einsatz, um Menschen zu unterstützen, die von Hunger betroffen sind. Mit dem WDR ruft unser Bündnis in der Vorweihnachtszeit 2024 für Spenden auf. Das Motto: Gemeinsam gegen den Hunger in der Welt. Hier erfahren Sie mehr über die Hilfsprojekte, die Sie mit Ihrer Spende unterstützen können.
Wie man sich an die klimabedingten Veränderungen anpassen kann, beschäftigt viele Menschen. Auch in Simbabwe. In den Projekten von Help, GLOBAL CARE und ihren Partnern geht es um Hilfe in größter Not. Und es geht darum, für die Zukunft gewappnet zu sein.
Workshops für die nächste Generation
Dafür organisiert Miracle Missions Trust in Mabvuku, einem Vorort von Harare, Workshops für Kinder und Jugendliche. Die Teams vermitteln der nächsten Generation Grundkenntnisse in der Landwirtschaft. Wie bestelle ich Felder, wie lege ich ein Beet an? Welche Gemüsesorten sind geeignet? Woher weiß ich, dass das der Regen ist, auf den alle gewartet haben?
"Wir müssen uns alle an das neue Normal gewöhnen", sagt Jacqueline Anderson. "Die Landwirtschaft, wie sie die Menschen seit Jahrzehnten kannten, muss sich verändern. So, wie es ihre Eltern und Großeltern gemacht und weitergegeben haben, funktioniert es nicht mehr. Die Menschen nun zu überzeugen, es anders ist zu machen, ist aber nicht immer einfach."
Ziel der Workshops ist deshalb auch, dass die Mädchen und Jungen ihr Wissen nach Hause tragen und ihre Familien ebenfalls davon profitieren. Wenn der Garten vor dem Haus auch noch so klein ist. Dass es funktioniert, zeigt der Besuch bei teilnehmenden Kleinbäuer:innen wie Michelle. Stolz präsentiert sie die Beete – die sie zum Teil mit ihrer Tochter bestellt hat.
Simbabwe war einst die Kornkammer Afrikas
Einst galt Simbabwe als die Kornkammer Afrikas. Vor allem Mais brachte der Landwirtschaft große Gewinne. Warum das heute nicht mehr so ist, ist komplex. Kurz zusammengefasst: Zur Jahrtausendwende beschloss die damalige Regierung, Tausende Großgrundbesitzer:innen – meist weiße Landwirt:innen – zu enteignen. Es sollte ein Signal sein, dafür, dass das Land seine koloniale Vergangenheit hinter sich lässt.
Eine Folge war jedoch, dass viele Ländereien nicht weiter bewirtschaftet wurden, häufig fehlten den Nachfolger:innen die finanziellen Mittel. Die nachfolgende Regierung machte die Reform zwar rückgängig, doch die Konsequenzen für das Land sind bis heute schwerwiegend. Mittlerweile ist Simbabwe gezwungen, viele Lebensmittel zu importieren – und die sind teuer.
Armut und soziale Ungleichheit zählen neben der Klimakrise und Kriegen zu den Hauptursachen von Hungersnöten. In Simbabwe, reich an Rohstoffen wie Gold und Lithium, hat die Armut viele Gesichter: In der Hauptstadt Harare gibt es Einkaufszentren mit Cafés und Restaurants, in denen sich Menschen tummeln. Nur wenige Autominuten entfernt findet man Vororte wie Epworth, wo Menschen in einfachen Hütten leben, Gemüse und Haushaltsgegenstände an Straßenständen verkauft werden.
Die Arbeitslosigkeit ist hoch. Ein Mann transportiert einen Schrank, der viel zu groß und schwer ist, mit einer Schubkarre. "Dafür wird er wohl einen Dollar bekommen", erklärt Jacqueline Anderson diese Form der informellen Beschäftigung.
Gegen die Gewalt: Tanz, Gesang und Gespräch
Alkohol- und Drogenmissbrauch, häusliche Gewalt, Mädchen, die jung verheiratet und zu Müttern werden, sind Herausforderungen, die in Vororten wie Epworth das Leben der Familien prägen. Miracle Missions Trust und GLOBAL CARE sind auch dort tätig. Mit dem Projekt Singing to the Lions holen die Teams Kinder und Jugendliche aus ihrem Alltag. Die Workshops bestehen aus Tanz, Gesang und Gespräch. Die Mädchen und Jungen lernen, wie sie sich selbst mit ihrer Atmung beruhigen können, wenn sie Angst haben. Oder dass es jemanden gibt, an den sie sich wenden können, wenn sie in Not geraten.
Sieben Autostunden von Harare entfernt möchte sich Gressy bei den Menschen bedanken, die für sie da waren, als es ihr nicht gut ging. Als sie hungrig war. Einen Teil des Nahrungsmittelpakets, dass sie von Help erhalten hat, möchte sie in ihrer Nachbarschaft verteilen. Alle sollen satt werden.
Gemeinsam mit dem WDR sammelt Aktion Deutschland Hilft Spenden in der Vorweihnachtszeit. Das Motto in diesem Jahr: Gemeinsam gegen den Hunger in der Welt. Seien Sie dabei und helfen Sie – mit Ihrer Spende! Vielen Dank.
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
bittet um Spenden für von Hunger betroffene Menschen in Afrika:
Stichwort: Hunger in Afrika
IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30
Jetzt online spenden!