von AWO International/Aktion Deutschland Hilft
Mehr als zwei Jahre ist es her, dass der Krieg in der Ukraine eskaliert ist. Millionen Menschen sind im eigenen Land auf der Flucht – und brauchen Hilfe.
Krieg in der Ukraine: Was brauchen Binnengeflüchtete?
Wie das möglich ist, was die Menschen brauchen und was die Herausforderungen sind, erzählt uns Anton Plaksun, Programmkoordinator für die Ukraine bei AWO International, im Interview.
Aktion Deutschland Hilft: Mehr als 6 Millionen Menschen sind wegen des Krieges in der Ukraine auf der Flucht. Ein großer Teil davon als Binnenvertriebene im eigenen Land. Was sind die drängendsten Probleme?
Anton Plaksun: Es gibt sehr viele Binnenvertriebene und sie alle brauchen Unterkünfte und längerfristig auch eine Arbeit. Wir haben keine genauen Zahlen, aber seit der Besetzung der Krim 2014 gab es mehrere Phasen mit einer hohen Zahl an Binnenvertreibungen.
Es ist eine große Herausforderung, für alle Menschen passende Unterkünfte zu finden. Dazu kommen strukturelle Probleme: Im Westen der Ukraine mangelt es an Arbeitsplätzen. Und auch in anderen Teilen der Ukraine ist die wirtschaftliche Lage schwierig.
Besonders herausfordernd ist die Situation für ältere Menschen, die innerhalb der Ukraine fliehen müssen, oder für Menschen mit Behinderung. Dabei müssen wir auch den psychosozialen Faktor im Auge behalten: Gerade ältere Menschen wollen oft nicht weg aus ihrer vertrauten Region. Und für Menschen mit Behinderung gibt es häufig nicht genügend geeignete Unterkünfte. Diese Herausforderungen und generell die Hilfe für Binnenvertriebene ist einer der Schwerpunkte von AWO International in der Ukraine.
Wie sieht diese Unterstützung aus?
Wir haben zusammen mit lokalen Partnerorganisationen einige Hilfsprojekte, die sich ganz gezielt auf Binnenvertriebene konzentrieren. Zum Beispiel wird gerade ein Projekt umgesetzt, das soziale Einrichtungen wie Altenheime und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen unterstützt.
Ein großer Teil der Menschen dort sind Binnenvetriebene aus Regionen in der Ukraine, die vom Krieg betroffen sind.
Und das führt zu einer steigenden Zahl an Patient:innen?
Ja. Die Zahl der Patientinnen und Patienten in diesen sozialen Einrichtungen hat zugenommen, aber die sozialen Einrichtungen verfügen nicht über ausreichende Mittel und personelle Kapazitäten, um alle versorgen.
Unser lokaler Partner Rokada unterstützt diese sozialen Einrichtungen, führt kleinere Renovierungen durch und stellt Geräte für diese zusätzlichen Patient:innen zur Verfügung. Die Psycholog:innen von Rokada helfen den Menschen mit Trainings und Gruppenarbeiten und bieten ihnen psychologische Unterstützung und soziale Dienstleistungen an, wenn sie etwa ihre Pässe und andere Dokumente aktualisieren lassen müssen.
Gibt es ein weiteres Beispiel?
Unser Projekt in Lwiw: das Walnut House. Wir unterstützen die gemeinnützige Organisation bei der Renovierung eines Frauenhauses. Die Einrichtung bietet Schutz für Frauen aus Lwiw und intern Vertriebene, die geschlechtsspezifische Gewalt durch ihre Partner erlebt haben und traumatisiert sind.
Dieses Frauenhaus befindet sich nun in der letzten Phase der Renovierung. Neben der Renovierung bietet das Walnut House auch Business-Trainings für die Frauen aus dem Frauenhaus an. Die Frauen, die im Anschluss an die Kurse ein eigenes Geschäft eröffnen wollen, erhalten als Startkapital einige Ausrüstungsgegenstände.
Wir arbeiten auch mit Binnenvertriebenen in Nähe der Kampfzone liegen. In Tschernihiw zum Beispiel unterstützt unser Partner, die gemeinnützige Stiftung Right to Protection, soziale Einrichtungen und bietet psychologische Nothilfe an.
Ein Schwerpunkt der Hilfe für Binnenvertriebene ist also die psychosoziale Unterstützung. Gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen? Wer sucht häufiger Unterstützung?
Hauptsächlich Frauen. Die Bevölkerung in der Ukraine lebt zum Teil noch nach traditionellen Rollenbildern. Da ist es für Männer sehr schwierig, jemanden um Hilfe zu bitten. Die Mehrheit der Klient:innen, die diesen psychologisch-medizinischen Dienst in Anspruch nehmen, sind Frauen, Kinder oder ältere Menschen.
Wie erreicht man auch die Männer?
Die Hauptsorge vieler Männer unter den Binnenvertriebenen in der Ukraine ist die finanzielle Absicherung ihrer Familien. Sie konzentrieren sich auf die Suche nach Möglichkeiten, Geld zu verdienen und eine Wohnung zu finanzieren. Psychologische Unterstützung ist nicht das Relevanteste oder Dringendste. Das ist ein großes Problem.
Aber es gibt auch Erfolgsgeschichten – zum Beispiel von unserem Partner Rokada, der in den verschiedenen Regionen der Ukraine eine große Zahl von Beratungsstellen für Binnenvertriebene eingerichtet hat. Die Berater:innen diskutieren mit den Bewohner:innen und lokalen Behörden die dringenden Probleme der Binnenvertriebenen und der Gemeinschaft.
Gemeinsam treffen sie Entscheidungen, die für alle Involvierten wichtig sind. Die Männer sind in diesen Räten sehr aktiv und über diese Räte ist es leichter, Zugang zu den Männern zu bekommen und ihnen psychologische Gruppenarbeit anzubieten. Der Bedarf an psychologischer Unterstützung ist sehr hoch, aber die Hilfsorganisationen müssen kreativ sein, um sie für diese psychologischen Dienste zu gewinnen.
AWO International ist eine von unseren Bündnisorganisationen, die den Menschen in der Ukraine zur Seite steht. Unser Bündnis hilft den Menschen auf allen Stationen der Flucht und in den Ländern, in denen sie Schutz suchen. Lassen Sie uns gemeinsam helfen. Danke für Ihre Spende!
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
bittet dringend um Spenden für die betroffenen Menschen aus der Ukraine.
Stichwort: Nothilfe Ukraine
IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30, BIC: BFSWDE33XXX
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