von Aktion Deutschland Hilft
Sieben Jahre sind seit Beginn des Krieges im Jemen vergangen. Kinder, die damals geboren wurden, sind mittlerweile im Grundschulalter – doch an einen Schulbesuch ist für Millionen Mädchen und Jungen im Jemen nicht zu denken.
7 Jahre Krieg im Jemen: Wie ist die aktuelle Lage?
Diesen und weitere Einblicke in das Leben der Menschen im Jemen hat uns Adel Hashem im Interview gewährt. Er leitet Human Development Needs, eine lokale Partnerorganisation von LandsAid. Im Interview spricht er über die aktuelle Lage in seinem Land, die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und die Zusammenarbeit mit LandsAid, einer Bündnisorganisation von Aktion Deutschland Hilft.
Herr Hashem, wie ist aktuell die Lage im Jemen?
Leider haben die Jahre des Krieges zu einer großen humanitären Krise geführt. 90 Prozent der Familien im Jemen sind auf eine Form von humanitärer Hilfe angewiesen. 17 Millionen Menschen leiden Hunger, jeden Tag sterben Kinder und Erwachsene. Die Preise für Lebensmittel steigen Tag für Tag. Viele Menschen haben schon lange keinen Lohn mehr ausgezahlt bekommen.
Den höchsten Preis aber zahlen die Kinder. Im vergangenen Jahr konnten 3 Millionen von ihnen nicht zur Schule gehen. Entweder mussten ihre Familien aufgrund von Kämpfen das Zuhause verlassen und sind innerhalb des Landes auf der Flucht, oder die Eltern können sich den Schulbesuch für ihre Kinder nicht leisten.
Wie hilft Ihre Organisation den Menschen?
Den Menschen im Jemen fehlt es an allem, daher ist unsere Hilfe sehr vielfältig: Wir helfen mit Lebensmitteln, Wasserversorgung, Bildungsprojekten und medizinischer Hilfe. Seit 2017 werden wir bei vielen Projekten von LandsAid unterstützt. Dafür sind wir sehr dankbar und wir freuen uns, diese Zusammenarbeit in Zukunft auszubauen.
Besonders wichtig sind uns Projekte, die den Menschen zu mehr Unabhängigkeit verhelfen. Das sind Bildungsprojekte für Kinder und Ausbildungsprogramme für Frauen und Männer, die ihnen den Berufseinstieg ermöglichen. Dank dieser Hilfe können die Menschen sich und ihren Familien in Zukunft selber helfen.
Inwiefern beeinflusst der Krieg die Arbeit Ihrer Hilfsorganisation?
Hilfsprojekte auf die Beine zu stellen, ist nicht immer einfach. Bevor wir ein Projekt umsetzen können, benötigen wir viele Genehmigungen. Das kann sehr lange dauern. Da wir gut vernetzt sind, können wir aber in vielen Teilen des Landes helfen.
Allerdings fehlen uns oft die finanziellen Mittel. Mit mehr Unterstützung könnten wir noch mehr Projekte umsetzen. Trotz der erschreckenden Lage in unserem Land wird der Jemen in der internationalen Berichterstattung oft vernachlässigt.
In diesen Tagen blickt die Welt vor allem in Richtung der Ukraine. Die Vereinten Nationen befürchten, dass der Krieg Folgen für die Lebensmittelversorgung im Nahen Osten und in Nordafrika haben wird...
Auch ich fürchte, dass der Ukraine-Krieg die Krise im Jemen verschlimmern wird. Ein großer Teil der Lebensmittel im Jemen stammen aus dem Ausland, 50 Prozent des Weizens werden aus der Ukraine und Russland importiert. Die Preise für Weizen, Mais und Öl steigen bereits. Das ist besonders schlimm für alle, die sich schon vorher kaum etwas zu essen leisten konnten.
Wenn Sie sich etwas für Ihr Land wünschen könnten, was wäre das?
Mein einziger Wunsch: dass dieser Krieg endet. Das wünschen sich alle Menschen hier. Wir sind so müde von diesem Krieg und seinen Folgen.
Niemand wird diesen Krieg gewinnen. Der einzige Ausweg ist, alle Konfliktparteien an einen Tisch zu bekommen und zu verhandeln. Je länger der Krieg dauert, desto schlimmer werden die Folgen für die Bevölkerung sein.
Der Krieg im Jemen kann als Folge eines gescheiterten Übergangsprozesses nach dem sogenannten Arabischen Frühling im Jahr 2011 beschrieben werden. Die Wurzeln des aktuellen Konflikts reichen jedoch weiter zurück.
Der Jemen gilt schon lange als das ärmste Land der Arabischen Halbinsel. Schon 2004 kam es zu größeren politischen Unruhen, als sich Menschen im Nordwesten des Jemens gegen die Zentralregierung in der Hauptstadt Sanaa stellten. Langzeit-Präsident Ali Abdallah Salih regierte bereits seit 1978 den Nordjemen – und seit der Vereinigung 1990 mit dem Süden das gesamte Land.
Seine Herrschaft wird als zunehmend autoritär und spalterisch beschrieben. Vor allem eine schiitische Strömung sah sich durch Salihs Politik marginalisiert: die Zaydiyya. Als Protest formierte sich die Huthi-Bewegung – die bis heute eine entscheidende Rolle im Jemen-Krieg spielt.
Im Südjemen formierte sich ebenso Widerstand. Unter anderem forderten die Gruppierungen ihre frühere Unabhängigkeit von der Zeit zurück, bevor das Land vereinigt wurde. Der Krieg begann also als innerjemenitischer Konflikt. Damit verbunden waren mehrere verschiedene Bürgerkriege und Kämpfe – auch zwischen Huthis, südjemenitischen Gruppierungen und anderen Milizen.
Im Jahr 2011 spitzte sich die Situation dann zu: Wie in vielen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas gingen auch im Jemen zahlreiche Menschen auf die Straße. Sie demonstrierten für einen politischen Richtungswechsel und bessere Lebensbedingungen. Diese Bewegung ist als Arabischer Frühling bekannt.
Die Proteste führten 2012 zum Rücktritt des Präsidenten Salih. Eine Übergangsregierung kündigte Neuwahlen und eine neue Verfassung an, doch die Pläne wurden nie umgesetzt. Stattdessen eroberten die Huthis Ende 2014 die Hauptstadt Sanaa. Übergangspräsident Abd Rabbo Mansur Hadi sah ich zum Rücktritt gezwungen.
Hadi bat daraufhin Saudi-Arabien um Unterstützung. Im März 2015 griff das Königreich mit einer Militärallianz in den Konflikt ein.
Seit 2015 kämpfen die Huthi-Rebellen und eine Militärallianz um Saudi-Arabien um die Vorherrschaft im Jemen. So hat sich aus dem Bürgerkrieg ein gewaltvoller Konflikt mit internationalen Parteien entwickelt.
Die Huthis werden vom Iran unterstützt. Deswegen ist häufig die Rede von einem Stellvertreterkrieg. Aber: Der Krieg im Jemen ist zunehmend komplex.
Denn auch der innerjemenitische Konflikt schwelt weiter. Auf lokalen Ebenen kämpfen noch immer verfeindete Gruppierungen aus dem Norden und Süden gegeneinander, die alle unterschiedliche Interessen, Ziele und Hintergründe haben.
Auch die Religion spielt eine Rolle: Die Huthi-Rebellen sowie der Iran gehören der muslimischen Glaubensgruppe der Schiiten an. Die an der Militärallianz beteiligten Länder hingegen sind sunnitisch. In vielen Ländern der Erde gibt es Konflikte zwischen diesen beiden Gruppen.
1990 | Der Nordjemen und der Südjemen vereinigen sich zur Republik Jemen. Doch von Anfang an gibt es Reibungen. Immer wieder kommt es zu politischen Unruhen. |
2011 | Der Arabische Frühling erreicht den Jemen. Es kommt zu Demonstrationen in der Bevölkerung. |
2012 | Die Regierung tritt zurück; Neuwahlen und eine neue Verfassung sollen folgen. |
2014 | Die Huthi-Rebellen erobern die Hauptstadt Sanaa und übernehmen die Macht. |
2015 | Der Machtkampf zwischen den Huthis und der Militärallianz beginnt. Der Bürgerkrieg entwickelt sich zu einem internationalen, bis heute andauernden Konflikt. |
Die Republik Jemen gibt es erst seit 1990. Damals vereinigten sich die Jemenitische Arabische Republik im Norden und die Demokratische Volksrepublik Jemen im Süden (auch Nordjemen und Südjemen genannt).
Der Nordjemen galt als konservativ und wurde lange Zeit vom Nachbarland Saudi-Arabien beeinflusst. Anders als der Südjemen war der Nordjemen aber fast durchgehend ein unabhängiges Land. Der Südjemen gehörte bis 1967 zum britischen Kolonialreich. Nach der Unabhängigkeit verbündete sich das Land mit der Sowjetunion.
Über Jahrzehnte hatten sich die Länder stark unterschiedlich entwickelt. Die unterschiedlichen muslimischen Glaubensrichtungen prägen das Leben der Bevölkerung bis heute. Im Norden leben mehrheitlich Schiiten, im Süden mehr Sunniten.
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis von mehr als 20 Hilfsorganisationen, wird den betroffenen Kindern, Frauen und Männern im Jemen zur Seite stehen: So lange, wie es notwendig ist. Das gilt auch für Menschen in anderen Ländern auf der Welt.
Danke, dass Sie unsere Nothilfe mit Ihrer Spende unterstützen!
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
nimmt Spenden für die Betroffenen im Jemen entgegen unter:
Stichwort: Hunger Jemen
IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30, BIC: BFSWDE33XXX
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