von Aktion Deutschland Hilft
Neun Jahre Krieg im Jemen. Was als Bürgerkrieg begann, ist inzwischen ein seit Jahren dauernder Konflikt. Mehrere Länder sind involviert.
Für die Menschen im Jemen ist es vor allem eines: eine humanitäre Katastrophe.
Hunger im Jemen: Millionen Menschen brauchen Hilfe
Hunderttausende Menschen im Jemen sind gestorben, geflohen und hungern. Unsere Bündnisorganisation Help – Hilfe zur Selbsthilfe ist im Jemen aktiv und hilft gemeinsam mit ihrer lokalen Partnerorganisation R-MENA.
Zwei der betroffenen Menschen haben uns ihre Geschichten erzählt. Geschichten, die eng mit dem Krieg verbunden sind.
2011: Arabischer Frühling im Jemen
2014: Die Lage spitzt sich zu
2015: Der Krieg bricht aus
2018: Frieden?
2020: Die Corona-Pandemie
2024: Neun Jahre Krieg
2011: Arabischer Frühling im Jemen
Der langjährige Präsident Ali Abdallah Salih tritt nach großen Protesten in der Bevölkerung ab.
Bis 2011 war Hassans Leben einfacher als heute, sagt er. "Wir arbeiteten, lebten, hatten Essen und Trinken. Das, was wir fürs Leben brauchten, war erschwinglich und die gesundheitliche Situation war in Ordnung."
Hassan, 55 Jahre, wurde im Jemen geboren. Heute zählt er zu den Menschen, die innerhalb ihres Landes vertrieben wurden. Mit seiner Familie lebt er in einem Dorf, nicht allzu weit entfernt von der Hauptstadt Sanaa.
"Wir leben in einem Haus aus Lehm und mit Strohdach. Wenn es regnet, löst sich der Schlamm auf und wir müssen das Dach reparieren." Hassan arbeitet als Tagelöhner auf Bananenfarmen. Kilometerweit muss er dafür laufen. Und trotzdem: "Das, was ich bekomme, reicht nicht aus."
Genau wie Hassan beschreibt auch Nora, wie ihr Leben im Jemen Stück für Stück schwieriger wurde. Nora ist 40 Jahre alt und inzwischen verwitwet. Sie lebt mit ihren Kindern ebenfalls im Nordwesten des Landes in einer behelfsmäßigen Steinhütte mit einem Zimmer und Strohdach. Das meiste von ihrem Besitz musste die Familie verkaufen, um überleben zu können.
2014: Die Lage spitzt sich zu
Die Huthis, eine oppositionelle Gruppe im Jemen, nehmen die Hauptstadt Sanaa ein.
Die Lage im Land spitzt sich weiter zu. Für Hassan und Nora wird das Leben zunehmend kompliziert – und für Hunderttausende weitere Menschen ebenso.
Der Krieg im Jemen kann als Folge eines gescheiterten Übergangsprozesses nach dem sogenannten Arabischen Frühling im Jahr 2011 beschrieben werden. Die Wurzeln des aktuellen Konflikts reichen jedoch weiter zurück.
Der Jemen gilt schon lange als das ärmste Land der Arabischen Halbinsel. Schon 2004 kam es zu größeren politischen Unruhen, als sich Menschen im Nordwesten des Jemens gegen die Zentralregierung in der Hauptstadt Sanaa stellten. Langzeit-Präsident Ali Abdallah Salih regierte bereits seit 1978 den Nordjemen – und seit der Vereinigung 1990 mit dem Süden das gesamte Land.
Seine Herrschaft wird als zunehmend autoritär und spalterisch beschrieben. Vor allem eine schiitische Strömung sah sich durch Salihs Politik marginalisiert: die Zaydiyya. Als Protest formierte sich die Huthi-Bewegung – die bis heute eine entscheidende Rolle im Jemen-Krieg spielt.
Im Südjemen formierte sich ebenso Widerstand. Unter anderem forderten die Gruppierungen ihre frühere Unabhängigkeit von der Zeit zurück, bevor das Land vereinigt wurde. Der Krieg begann also als innerjemenitischer Konflikt. Damit verbunden waren mehrere verschiedene Bürgerkriege und Kämpfe – auch zwischen Huthis, südjemenitischen Gruppierungen und anderen Milizen.
Im Jahr 2011 spitzte sich die Situation dann zu: Wie in vielen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas gingen auch im Jemen zahlreiche Menschen auf die Straße. Sie demonstrierten für einen politischen Richtungswechsel und bessere Lebensbedingungen. Diese Bewegung ist als Arabischer Frühling bekannt.
Die Proteste führten 2012 zum Rücktritt des Präsidenten Salih. Eine Übergangsregierung kündigte Neuwahlen und eine neue Verfassung an, doch die Pläne wurden nie umgesetzt. Stattdessen eroberten die Huthis Ende 2014 die Hauptstadt Sanaa. Übergangspräsident Abd Rabbo Mansur Hadi sah ich zum Rücktritt gezwungen.
Hadi bat daraufhin Saudi-Arabien um Unterstützung. Im März 2015 griff das Königreich mit einer Militärallianz in den Konflikt ein.
Seit 2015 kämpfen die Huthi-Rebellen und eine Militärallianz um Saudi-Arabien um die Vorherrschaft im Jemen. So hat sich aus dem Bürgerkrieg ein gewaltvoller Konflikt mit internationalen Parteien entwickelt.
Die Huthis werden vom Iran unterstützt. Deswegen ist häufig die Rede von einem Stellvertreterkrieg. Aber: Der Krieg im Jemen ist zunehmend komplex.
Denn auch der innerjemenitische Konflikt schwelt weiter. Auf lokalen Ebenen kämpfen noch immer verfeindete Gruppierungen aus dem Norden und Süden gegeneinander, die alle unterschiedliche Interessen, Ziele und Hintergründe haben.
Auch die Religion spielt eine Rolle: Die Huthi-Rebellen sowie der Iran gehören der muslimischen Glaubensgruppe der Schiiten an. Die an der Militärallianz beteiligten Länder hingegen sind sunnitisch. In vielen Ländern der Erde gibt es Konflikte zwischen diesen beiden Gruppen.
1990 | Der Nordjemen und der Südjemen vereinigen sich zur Republik Jemen. Doch von Anfang an gibt es Reibungen. Immer wieder kommt es zu politischen Unruhen. |
2011 | Der Arabische Frühling erreicht den Jemen. Es kommt zu Demonstrationen in der Bevölkerung. |
2012 | Die Regierung tritt zurück; Neuwahlen und eine neue Verfassung sollen folgen. |
2014 | Die Huthi-Rebellen erobern die Hauptstadt Sanaa und übernehmen die Macht. |
2015 | Der Machtkampf zwischen den Huthis und der Militärallianz beginnt. Der Bürgerkrieg entwickelt sich zu einem internationalen, bis heute andauernden Konflikt. |
Die Republik Jemen gibt es erst seit 1990. Damals vereinigten sich die Jemenitische Arabische Republik im Norden und die Demokratische Volksrepublik Jemen im Süden (auch Nordjemen und Südjemen genannt).
Der Nordjemen galt als konservativ und wurde lange Zeit vom Nachbarland Saudi-Arabien beeinflusst. Anders als der Südjemen war der Nordjemen aber fast durchgehend ein unabhängiges Land. Der Südjemen gehörte bis 1967 zum britischen Kolonialreich. Nach der Unabhängigkeit verbündete sich das Land mit der Sowjetunion.
Über Jahrzehnte hatten sich die Länder stark unterschiedlich entwickelt. Die unterschiedlichen muslimischen Glaubensrichtungen prägen das Leben der Bevölkerung bis heute. Im Norden leben mehrheitlich Schiiten, im Süden mehr Sunniten.
2015: Der Krieg bricht aus
Saudi-Arabien greift mit einer Allianz in den Konflikt ein.
"2015 begann im Land der Krieg, der unser Leben stark beeinträchtigt", sagt Nora. Preisanstieg, Krankheiten, keine Jobs, keine Gehälter, kaum noch soziale Sicherheit. Das, was Nora aufzählt, betrifft fast alle Bereiche ihres Lebens. Sie erzählt, wie die Familie nur noch mit Mühe ihren Lebensunterhalt bestreiten konnte. Und wie manchmal nicht mehr genug für ein Abendessen da war.
Wann genau Hassan zum ersten Mal sein Zuhause verlassen musste, weiß er nicht mehr. Aber es war 2015, nachdem der Krieg ausgebrochen war. Zu Fuß flüchtete er ins Ungewisse.
Und Hassan erinnert sich an die Angst vor möglichen Luftangriffen. Dreimal musste Hassan mit seiner Familie weiterziehen, bevor er in der Notunterkunft ankam, in der sie auch jetzt noch leben. "Wir hatten nichts von unserem Hab und Gut mitgenommen, außer der Kleidung, die wir trugen", sagt er. "Meine Familie hat sehr gelitten."
2018: Frieden?
Die Vereinten Nationen organisieren Friedenskonsultationen. In der Nähe Stockholms treffen sich Vertreter der Huthis und der jemenitischen Regierung. Die Verhandlungen bringen keinen Durchbruch.
Nora und ihre Familie sind inzwischen sehr auf Hilfe angewiesen. Nicht nur die ohnehin angespannte Lage macht ihnen zu schaffen. Auch durch den Tod von Noras Mann, der für den Lebensunterhalt gearbeitet hat, spitzt sich die Situation für die Familie zu.
Die Familie hat Schulden, Nora hat ihre letzten Besitztümer verkauft. Doch es reicht nicht. Inzwischen arbeiten auch die Kinder für den Lebensunterhalt der Familie. "Wenn ich sehe, wie die Kinder anderer Leute morgens zur Schule gehen, bin ich sehr traurig um meine Kinder", sagt Nora.
2020: Die Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie erreicht den Jemen im April 2020 und verschärft die Gesundheitslage im Land.
Nach fünf Jahren Krieg sind die Infrastruktur und das Gesundheitssystem im Land schwer in Mitleidenschaft gezogen. Die Trinkwasser-Infrastruktur im Jemen ist zu großen Teilen zerstört. Kein sauberes Wasser und zu wenige Hygieneeinrichtungen haben im Jemen zu schweren Cholera-Epidemien geführt. Und auch die Corona-Pandemie erreicht das Land im April 2020.
In der Region Hajjah, in der auch Hassan und Nora leben, unterstützt Help 16 Gesundheitseinrichtungen, in denen insbesondere Cholera-Patient:innen behandelt werden können. Vor Ort betreibt die Partnerorganisation R-MENA die Zentren und hilft den Menschen.
Nora und Hassan bekommen beide Hilfe im Gesundheitszentrum. Hassan bekam Medikamente, Wasserfilter, Chlor und Seife, als seine Kinder zuletzt krank waren. "Sie haben uns sehr geholfen, besonders in meiner jetzigen Situation", sagt Hassan. "Das, was ich durch meine Arbeit bekomme, ist nicht genug, um Mehl zu kaufen. Was glauben Sie, wie es dann erst mit Medikamenten aussieht?"
2024: Neun Jahre Krieg
Der Kriegsbeginn jährt sich zum 9. Mal. Mehr als die Hälfte der rund 34 Millionen Menschen, die im Jemen leben, braucht humanitäre Hilfe. Darunter sind 11 Millionen Kinder.
Durch Hunger, Krankheiten, Waffen und fehlende medizinische Versorgung starben in neun Jahren Krieg Hunderttausende Menschen. Ende 2021 waren es nach Angaben der Vereinten Nationen 377.000 Menschen.
Im vergangenen Jahr machte ein Foto eines Handschlags von einem Verhandler der Huthis und einem Botschafter Saudi-Arabiens Hoffnung auf Frieden.
Aber angesichts des Nahost-Konflikts spitzt sich gerade auch im Jemen die humanitäre Lage wieder zu.
Hassan und Nora wünschen sich ein richtiges Zuhause
Nora wünscht sich ein Leben ohne Armut, in dem die Grundbedürfnisse der Familie erfüllt sind. Und in dem sie ein richtiges Zuhause haben.
Hassan sagt: "Der Krieg hat mir nur Müdigkeit und Leid gebracht." Es gibt nichts, das er sich mehr wünscht, als dass der Krieg endet. Und er mit seiner Familie zurück nach Hause kann.
Help – Hilfe zur Selbsthilfe ist eine von mehr als 20 Bündnisorganisationen bei Aktion Deutschland Hilft. Neben den Gesundheitszentren in der Region Hajjah im Nordwesten des Jemens engagiert sich Help gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen derzeit insbesondere für den Zugang zu Bildung.
Denn durch den Krieg wurden viele Schulen im Jemen ganz oder teilweise zerstört; zudem sind Familien zunehmend aus finanzieller Not dazu gezwungen, dass auch ihre Kinder arbeiten gehen. Unter anderem unterstützt Help den Wiederaufbau von 40 Schulen in der ländlichen Region Hajjah. Bislang konnte Help rund 430.000 Menschen in der Region Hajjah mit den verschiedenen Hilfsmaßnahmen erreichen.
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
nimmt Spenden für die Betroffenen im Jemen entgegen unter:
Stichwort: Hunger Jemen
IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30, BIC: BFSWDE33XXX
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