Ehrenamtliche Malteser-Helfer als Mittel gegen Einsamkeit
Gerda Meinecke wohnt in Magdeburg in unmittelbarer Nähe zum Elbufer. Als sie am morgen des 7. Juni 2013 aus dem Fenster schaute, bekam sie einen großen Schrecken. „Beim Hochwasser 2002 war mein Mann noch da. Aber diesmal…ich hätte nie gedacht, dass das Wasser so hoch kommt“, berichtet die 79-jährige Frau Meinecke. „Aber wenn man dann niemanden mehr hat und man steht plötzlich alleine in der Wohnung und schaut runter und sieht überall nur Wasser, und der Strom ist ausgefallen – also ich muss sagen, da kommt man sich einsam vor und bekommt doch erstmal Herzklopfen. Da war mir sehr mulmig zumute“, erzählt Frau Meinecke weiter.
Das Haus von Frau Meinecke war bereits evakuiert. Nur sie war noch dort. Sie war vergessen worden. Ohne Telefon wusste sie nicht, wie sie auf sich aufmerksam machen sollte. Gott sei Dank machte sich ein Nachbar von Frau Meinecke Sorgen um sie und kam zurück. Mit ihm zusammen verließ sie dann das Haus. Endlich konnte sie mit ihrem Sohn Kontakt aufnehmen. 14 Tage lang durfte sie aufgrund der Hochwassersituation nicht zurück in ihre Wohnung. In dieser Zeit wohnte sie in einem Hotel in Erfurt in der Nähe ihres Sohnes.
Nach acht Tagen sei ihr Sohn nach Magdeburg gefahren, um nach dem Rechten zu schauen, berichtet Gerda Meinecke. Doch als er zurückkam, hatte er keine guten Nachrichten. Der Keller war vollgelaufen und alles, was sich darin befand, war zerstört. Zum Glück hatte Frau Meinecke noch die alte DDR-Versicherung. So wurde der Schaden zum größten Teil beglichen.
Wieder zurück in der Wohnung musste sie feststellen, dass der Aufzug durch das Wasser beschädigt worden war und nicht funktionierte. Durch ihre Schmerzen im Knie wurden die Treppenstufen bis in den dritten Stock zu einer großen Herausforderung. Über vier Monate blieb der Fahrstuhl außer Betrieb. „Gerade mit Einkäufen ist es mir besonders schwer gefallen, die Treppen hinaufzusteigen“, berichtet Frau Meinecke. Dann fügt sie lachend hinzu „Alt werden ist nichts für Feiglinge.“
Über eine Bekannte wurde Gerda Meinecke auf die Malteser aufmerksam. Im Gespräch mit Kristin Siersleben, der Leiterin der sozialen Nachbetreuung für Hochwasserbetroffene am Standort Magdeburg bei den Maltesern, berichtete Gerda Meinecke von ihren Hochwassererlebnissen und dass sie sich wünschen würde, wieder mehr unter Leute zu kommen. „Alleine spazieren gehen – das gefällt mir gar nicht“, gestand sie.
Bei dem Projekt der sozialen Nachsorge von Hochwasserbetroffenen geht es darum, von Einsamkeit betroffenen Menschen zu helfen. „Die Einsamkeit war natürlich auch schon vor dem Hochwasser ein Problem“, wie Kristin Siersleben berichtet. „Aber durch das Hochwasser ist die Einsamkeit sichtbar geworden.“ Denn bei den Evakuierungen der Malteser seien vor allem einsame, ältere und alleinstehende Menschen, die niemanden mehr haben, in Notunterkünften untergekommen. Darum bieten die Malteser nun an, von ehrenamtlichen Kräften besucht zu werden.
„Die ehrenamtlichen Helfer werden natürlich geschult. Neben Erste-Hilfe-Kursen schulen wir auch im Hinblick auf Traumaarbeit. Denn das Hochwasser war für viele Menschen eine traumatische Erfahrung“, erklärt Kristin Siersleben. „Durch die Sirenen und die Ausnahmesituation während des Hochwassers kam bei vielen älteren Menschen die Kriegssituation wieder hoch. Umso wichtiger ist es, dass sie jemanden haben, mit dem sie reden können.“
Schnell hat sich für Gerda Meinecke eine ehrenamtliche Mitarbeiterin gefunden. Nun treffen sich die beiden einmal in der Woche, gehen an der Elbe oder im Nordpark spazieren oder treffen sich im Städtchen. Frau Meinecke ist überglücklich mit ihrer Ehrenamtlerin. „Wir beide verstehen uns richtig gut“, schwärmt sie. „Für mich hat sich durch das Hochwasser vieles zum Guten gewendet“, sagt sie und lächelt.
„Oftmals reicht es schon, Menschen zusammenzubringen, um sie wieder glücklich zu machen“, so Kristin Siersleben.
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