von Andreas Unger, Aktion Deutschland Hilft
Die Menschen im Camp Derveni haben drei Mahlzeiten und ein Zeltdach über dem Kopf. Doch das Wichtigste fehlt: eine Perspektive.
Das Verharren ist es, was die Menschen zermürbt
Es ist nicht das Essen, auch wenn der braune Reisbrei in den Aluschalen nicht jedermanns Sache ist. Es ist nicht die Hitze, denn immerhin durchweht ein Lüftchen die alte Fabrikhalle, in der die Menschen kauern. Nicht die dünnen Decken auf dem nackten Boden sind es, die den Menschen zu schaffen machen, denn auf ihrer Flucht haben sie schlechter geschlafen, und es sind auch nicht die griechischen Soldaten in ihren Camouflageuniformen, die auf ungute Art an die Heimat erinnern.
Das Verharren ist es, was die Menschen zermürbt. Es nimmt ihnen den Sinn für Zeit. Es nimmt ihnen die Würde. Hier im Camp Derveni leben etwa 800 Menschen. Die meisten sind syrische Kurden, knapp 400 von ihnen sind Kinder, 15 Prozent schwangere Frauen. Sie alle leben in insgesamt 125 großen Zelten, in die wiederum zwei kleinere Campingzelte passen.
In Syrien hatten wir ein Haus - hier schlafen wir in einem Zelt
Gemeinsam mit zwei Kooperationspartnern ist der Arbeiter-Samariter-Bund hier am Werk. In Thermi, südlich von Thessaloniki, baut er derzeit Wohncontainer, die den Flüchtlingen mehr Privatsphäre und ein Mindestmaß an Selbstständigkeit ermöglichen werden. Bis Oktober sollen die Containersiedlungen fertiggestellt sein. In der Zwischenzeit geht es darum, die Flüchtlinge in den Zeltstätten psychosozial zu betreuen. Und medizinisch: Zahlreiche Patienten kommen mit Bluthochdruck, Asthma und Diabetes, berichtet der Arzt George Chatzis und weist auch auf die zahlreichen Mückenstiche hin – was in unseren Breiten harmlos erscheint, kann durch die extreme Dichte, in der die Menschen hier leben, zu Infektionen führen. Vor dem Rundgang hatte der Leiter der Einrichtung, ein griechischer Soldat, gewarnt: „Die Bewohner werden Probleme hervorheben. Macht euch selbst ein Bild.“
„In Syrien hatten wir eine Farm“, sagt eine Frau, die in die Gasse zwischen zwei Zelten getreten ist. Sie möchte unerkannt bleiben, aber sie will reden. „Wir hatten eine große Farm mit einem großen Haus, wissen Sie. Jetzt schlafen wir in einem Zelt mit noch einer Familie. Wir essen, trinken und schlafen,
das ist alles.“ Was ist ihr dringendster Wunsch? „Wir wollen gehen“, sagt die Frau. Ihr Mann ist noch in Syrien, ihre beiden 17 und 18 Jahre alten Kinder sind mit ihr gekommen. In Syrien, sagt sie, habe sie um ihr Leben gefürchtet, aber sie hatte ein Ziel: ein Leben in Sicherheit und Würde. Jetzt, in Sicherheit, ist die Würde in weite Ferne gerückt. Seit vier Monaten leben sie in Griechenland. „Wann ist der Papierkram endlich zu Ende, wann können wir weiter ziehen?“
"Wir sind hier nicht zum Betteln, sondern um zu arbeiten"
Eine andere Frau stößt dazu, es bildet sich eine Gruppe, wer will, erzählt drauf los. „In Syrien war das Leben leichter als hier“, erzählt eine Mutter. „Wir hatten Geld, wir kochten unser eigenes Essen, und Kinder gingen zur Schule.“ Zwei Kinder habe sie, sieben und acht Jahre alt, beide haben noch nie eine Schule von Innen gesehen. „Sie lernen nicht, wie man zur Schule geht, sie verlernen, wie man aufpasst.“
Nein, die Menschen hier, aller Selbstbestimmung beraubt, sind nicht voller Dankbarkeit für ein Zeltdach über dem Kopf und drei Mahlzeiten am Tag. Weil es nicht nur um Nahrung und Obdach geht. Weil auch Geduld und Durchhaltevermögen endliche Ressourcen sein können. Weil das Empfangen von Almosen
zwar Hunger stillt, aber Flüchtlinge zu Bedürftigen macht. „Wir sind nicht hier, um zu betteln, sondern um zu arbeiten“,sagt ein Mann, der sich dazu gesellt.
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