von Andreas Unger, Aktion Deutschland Hilft
In Griechenland, am Fuße des Olymps, leben etwa 1000 Jesiden in Zelten. Ein Rundgang mit Frank Brenda, dem Leiter der ADRA-Soforthilfe.
Vielleicht ist Not am schwersten zu ertragen, wenn sie sich inmitten der Schönheit abspielt. So wie hier. So wie jetzt, da die Wolken kurz Platz machen und der Blick auf die Gipfelkette frei wird: mythisches Land, Heimat des Zeus. Für die Jesiden, die hier seit Monaten in Zelten leben, ist es keine Heimat. Es ist Niemandsland zwischen Krieg und Asyl, eine Transitzone, wobei nicht fest steht, wohin der Transit führen, wann er beginnen und wann er enden soll. Menschen sprechen Brenda an, wollen wissen, woher er kommt und wie es für sie weitergehen soll.
Brenda: „Hier sagt uns jeder: Wir wollen nicht bleiben. Als ich das erste Mal hierher kam, sahen die Leute mein „Aktion Deutschland Hilft“-Logo. Sie haben mich gefragt: Können wir nach Deutschland? Ich habe ihnen klar gemacht, dass ich kein Visum für sie habe. Sie fragten: Warum bist du dann hier? Ich antwortete: Um das Campleben für euch angenehmer zu machen. Wir bauen Sanitäranlagen, Wohncontainer und Wasseraufbereitungsanlagen auf. Sie sagten: Das Geld kannst du dir sparen. Wenn du uns ein Ticket nach Deutschland gibst, sind wir morgen hier weg, und alles, was hier steht, lassen wir stehen.“
Derzeit ist noch unklar, ob und wie es hier weiter gehen soll. In der Zwischenzeit leben die Menschen ihr Leben, so gut es eben geht. Zwischen den Zelten spannen sie Seile, auf denen die nasse Wäsche trocknet. Bauen sich Öfen aus Steinen und Lehm, stellen eine alte Konserve ins Feuer, bis der Tee kocht. Frauen fegen mit Reisigbesen die ungeteerten Wege zwischen den Zelten. Zwei alte Männer spielen auf einem abgewetzten Brett Backgammon. Kinder suchen unterm Zeltdach Schutz vor der Sommersonne, dösend. Junge Männer lassen sich ihre Kurzhaarfrisuren und Augenbrauen in Form bringen. Kinder daddeln auf Smartphones, Erwachsene checken ihre Handys nach Nachrichten aus der alten Heimat.
"Eine langfristige Perspektive haben die Menschen hier noch lange nicht."
Die Heimat dieser Jesiden, der Norden des Irak, ist auf absehbare Zeit verloren. An eine Terrororganisation, deren Kämpfer jesidische Frauen vergewaltigen und versklaven und die gesamte Minderheit verfolgen und töten. Davor sind sie hier sicher, immerhin. Aber eine langfristige Perspektive haben die Menschen hier noch lange nicht. Frank Brenda, der sich unter die Leute mischt, bekommt das immer wieder zu hören. Sollen die Bewohner in diesen Zeltlagern, wenn ab November Schnee liegt, auch den Winter verbringen? Dann muss das Camp ausgebaut werden.
Brenda: „Das würde großen Aufwand bedeuten: Die Zelte müssten durch beheizbare Wohncontainer ersetzt werden, die elektrischen Leitungen für 200 Container ausgelegt werden. Wir bräuchten neue Sanitäranlagen. Und es gibt hier auf dem Gelände ein ehemaliges Klinikgebäude, das seit über 20 Jahren leer steht und im Winter beheizt werden müsste. Wir haben hier über 500 Kinder – die können nicht den ganzen Tag im Schnee spielen. Und auch nicht den ganzen Tag im Container sitzen. Die nächste Schule ist 20 Kilometer entfernt in Katerini. Es ist die Frage, ob es wirklich gewünscht ist, auf all diese Faktoren zu reagieren. Dazu kommt, dass wir uns auf einem historisch und archäologisch wertvollen Gebiet befinden. Daher dürfen wir keine Erdarbeiten machen, wir dürfen nichts einebnen und keine Gräben ausheben, weil wir dabei wertvolle Artefakte beschädigen könnten. Es ist unter diesen Umständen jedoch schwierig, ein Gefälle für Abwasser hinzubekommen.“
Die Entscheidung, wie es hier weitergeht, treffen die griechischen Behörden - ADRA kann nur reagieren. In solchen Situationen zeigt sich, wie wichtig Flexibilität in der humanitären Hilfe ist.
Brenda: „Innerhalb von drei Monaten mussten wir unseren Projektantrag drei Mal ändern: Im Januar haben wir humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge auf der Balkanroute ausgerichtet, also in Serbien, Mazedonien, Kroatien und Slowenien. Wenige Wochen später war die Balkanroute geschlossen, alles hat sich in Idomeni gestaut. Also haben wir dort an der Grenze geholfen. Dann hieß es, die griechische Regierung würde offizielle Camps zur Verfügung stellen, sodass wir in Abstimmung mit der Regierung und dem UNO-Flüchtlingshilfswerk hierher nach Petra und in zwei weitere kleinere Camps gekommen sind.“
Die wenigsten Jesiden hier wollen in Griechenland bleiben. Sehr viele wollen weiter nach Deutschland, wo bereits Familienmitglieder leben.
Brenda: „Was ich hier sehe, ist eine kulturell homogene Gruppe. Man sieht kaum Streitigkeiten. Diese Leute sind friedlich. Das sind keine Menschen, die extreme Ansichten haben, sondern friedliche Menschen, die vor Terror geflohen sind. Ich setze mich dafür ein, dass sie eine zweite Chance kriegen. Etwa die Hälfte von ihnen sind Kinder. Wenn sie von Anfang an in deutsche Schulen und Einrichtungen integriert werden, haben wir wirklich einen Zugewinn für Deutschland.“
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