von Kai Mirjam Kappes, Aktion Deutschland Hilft
ADRA unterrichtet syrische Flüchtlingskinder in Beirut
Adnan ist einer der beliebtesten Jungen in seiner Schule. Der Zwölfjährige mit dem breiten Lächeln und den vielen Sommersprossen wird in den Pausen gern zum Spielen eingeladen. Einer der hilfsbereitesten Schüler sei er, loben seine Lehrer.
Das war nicht immer so. Adnan war aggressiv und kaum zu bändigen. Seine Mitschüler hatten Angst vor ihm. Wenn Adnan ausrastete, wusste er keinen anderen Ausweg als zuzuschlagen. Seit Kurzem gibt es für Adnan Alternativen. Dank ADRA. Die Hilfsorganisation kümmert sich intensiv um den Zwölfjährigen. „Wir haben ihm Einzelunterricht gegeben und psychosozial betreut“, berichtet seine Lehrerin. „Sein Verhalten hat sich stark verbessert.“ Lächelnd fügt sie hinzu: „Er ist ein beeindruckendes Kind.“
Mit seiner Familie ist Adnan von Syrien nach Beirut geflohen. Zusammen mit seinen drei Geschwistern und seinen Eltern lebt er in einem Lagerraum. Sein 15-jähriger Bruder geht schon lange nicht mehr zur Schule. Das Geld reicht kaum zum Überleben. Genau wie sein Vater und sein Bruder muss auch Adnan arbeiten. Sieben Stunden am Tag hilft der Zwölfjährige in einer Metzgerei aus. Er häutet Ziegen, Schafe und Kühe, trennt das Fleisch von den Knochen, putzt das Blut von den Maschinen. Viel lieber würde er spielen, so wie früher in Homs. Kinderarbeit ist im Libanon verboten. Doch die Familie kommt nicht anders über die Runden.
Größte Herausforderung ist der Platz
Ohne ADRA könnte Adnan nicht am Vormittag zur Schule gehen, bevor er in die Metzgerei muss. Die Hilfsorganisation bezahlt die Fahrtkosten, Bücher und Unterricht – und bietet Adnan und den anderen Kindern ein Mittagessen. Die Räume in der Hauptstadt sind gemietet, es herrscht Enge. Einen Pausenhof gibt es genauso wenig wie eine Kantine.
Die Kinder müssen sich auf dem Flur im ersten Stock eines Mietshauses aneinander vorbeischieben. „Unsere größte Herausforderung ist der Platz: Wir haben die Unterrichtseinheiten auf den Vormittag und den Nachmittag aufgeteilt, um die Klassenzimmer doppelt nutzen zu können“, sagt Projektleiterin Memory Cox. 120 Jungen und Mädchen im Grundschulalter können dadurch jeden Tag zur Schule gehen.
Der Andrang ist groß, die Warteliste wächst. ADRA plant deshalb im Voraus und sucht nach größeren Räumlichkeiten.
„Die Armee hat auf unser Haus geschossen“
Im Libanon ist das Schulsystem stark überlastet: Das Land mit den vier Millionen Einwohnern hat in den vergangenen Jahren mehr als eine Million Flüchtlinge bei sich aufgenommen. Es fehlt an allem, besonders an Räumen, Material und Lehrern. Viele Flüchtlinge können das Geld für die Busfahrkarte und die Hefte nicht entbehren. Jeden Freitag besucht ein Psychologe die Jungen und Mädchen und hilft ihnen, die furchteinflößenden Erlebnisse zu verarbeiten.
Gegen böse Erinnerungen hatte auch Adnan lange zu kämpfen. Zu viele schreckliche Bilder haben sich ihm eingebrannt. „Die Armee hat auf unser Haus geschossen“, erzählt er. „Da waren überall Löcher in der Wand. Die Soldaten wollten durch die Tür zu uns rein. Wir konnten zu meinem Onkel fliehen.“
Erst vor ein paar Tagen erhielt die Familie die Botschaft, dass ein Nachbar erschossen wurde. „Seiner Tochter haben sie die Zunge abgeschnitten und die Zähne ausgeschlagen“, sagt Adnan und senkt seinen Blick zum Boden.
Was er einmal werden wolle? „Metzger“, antwortet Adnan, während seine Augen sich verdunkeln. Seine Lehrerin steht neben ihm, übersetzt und nimmt Adnan spontan in den Arm, als sie das hört. „Nein, Adnan“, sagt sie und drückt ihn fest an sich, „du musst kein Metzger werden. Du kannst alles werden, was du willst.“
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