von den Johannitern
Die Johanniter helfen Menschen, die vor Krieg und Gewalt nach Deutschland geflohen sind. Im nordrhein-westfälischen Oerlinghausen leiten sie eine Zentrale Unterbringungseinrichtung. Viele Helfer haben dafür engagierte Vorarbeit geleistet und packen nun in allen Bereichen beherzt mit an.
„Lam-pe, Le-ben, Lie-be! Lam-pe, Le-ben, Lie-be!“ Fast klingt es wie ein Hip-Hop-Song oder der Chor eines modernen Theaterstücks, so enthusiastisch sprechen rund 60 Frauen und Männer im Raum nach, was vorne an der Wandtafel geschrieben steht. Als sie beim „P“ angelangt sind, schnappt sich Esra Pollmann, Sozialarbeiterin in der Johanniter-Flüchtlingsunterkunft einen Besen und fegt demonstrativ den Boden. Eine rund 50-jährige Dame mit Kopftuch versteht sofort. „Frau putzt“, ruft sie mit stolzer Stimme. Währenddessen geht ihr Kollege durch die Reihen und sammelt mit großen Gesten weitere P-Worte ein: „Pizza“, „Polizei“, „Pullover“ schallt es ihm von allen Seiten entgegen. Und es wird viel gelacht.
„Wir können natürlich keinen richtigen Deutschunterricht anbieten, weil die meisten nur wenige Tage bei uns bleiben“, erklärt Nabil Essadqi nach dem Ende der Stunde. Aber das Interesse, die Sprache wenigstens ein bisschen kennenzulernen, ist riesig. Seine Kollegin ergänzt: „Als Flüchtling ist man ständig in Situationen, in denen man darauf warten muss, was andere tun und entscheiden. Da tut es gut, wenn man mal selbst aktiv werden kann.“
Mit großem Einsatz hergerichtet
Die Zentrale Unterbringungseinrichtung in Oerlinghausen war vor einem knappen halben Jahr noch eine ehemalige Suchtklinik für Männer, die monatelang leer gestanden hatte. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens mietete die Immobilie und beauftragte die Johanniter, innerhalb von nur einer Woche eine Flüchtlingsunterkunft einzurichten. „Wir haben in Tag- und Nachtschichten 300 Betten zusammengeschraubt“, sagt Detlev Weschky, der sich seit 1972 bei den Johannitern engagiert. Andere richteten die sanitären Anlagen her, strichen Wände, organisierten bei Unternehmen aus der Region Bettwäsche, Hygiene-Artikel und Kleiderspenden.
Rund 4000 Ehrenamtsstunden sind in dieser Zeit geleistet worden, hat Kristian Hilmert ausgerechnet. Seine eigenen Überstunden hat der Leiter für Zentrale Dienste im Johanniter-Regionalverband Lippe-Höxter gar nicht erst gezählt: „Es ging einfach darum, diesen Ort herzurichten. So, dass die Menschen, die oft schreckliche Dinge erlebt haben und schon lange unterwegs sind, sich hier sicher fühlen und ein wenig zur Ruhe kommen können.“ Da war es hilfreich, dass die Johanniter nicht nur auf viele erprobte Ehrenamtliche zurückgreifen konnten, sondern auch auf professionelle Partner, mit denen sie schon in anderen Bereichen zusammengearbeitet haben: „Der Caterer bereitet auch die Mahlzeiten für unsere Johanniter-Kindergärten zu. Und den Sicherheitsdienst kennen wir von Großveranstaltungen, bei denen uns die Mitarbeiter immer als freundlich, besonnen und zurückhaltend aufgefallen sind“, sagt Hilmert.
Mehrsprachige Mitarbeiter
Als der Bus mit den ersten Flüchtlingen ankam, sind Detlev Weschky und ich eingestiegen und haben die Flüchtlinge willkommen geheißen und ihnen erklärt, wo sie hier sind", erzählt Hilmert, „auf Englisch und mit Händen und Füßen, so gut es eben ging.“ Das mit der persönlichen Begrüßung noch im Bus wird weiter bei allen Neuankömmlingen so gehalten, doch Hände und Füße sind dabei nur noch selten nötig. Die inzwischen eingestellten 25 hauptamtlichen Mitarbeiter wurden auch nach ihren Sprachkenntnissen ausgewählt. So wie Esra Pollmann, die außer Deutsch und Englisch auch Türkisch spricht. Wieder andere können Französisch und Arabisch. Und die Erzieherin Teodora TabacuNeģru hat außerdem noch Englisch, Rumänisch und Russisch im Angebot. „Wenn ich damit nicht weiterkomme, kann meist einer der Kollegen oder Eltern helfen – oder ich setze meine Gitarre ein“, sagt sie lachend.
Auf solche Sprachkenntnisse sei sie schon ein bisschen neidisch, erzählt Helga Schüler, die in der Kleiderkammer gemeinsam mit Ilona Neumann gespendete Kinderschuhe nach Größen sortiert. „Nach den ersten Tagen hier habe ich mir zu Hause eine Liste mit den wichtigsten Wörtern auf Englisch gemacht.“ Die allermeisten Flüchtlinge haben buchstäblich nur das, was sie am Leibe tragen, und sind dankbar für die reichhaltige Auswahl an gespendeten Kleidungsstücken. „Die freuen sich alle riesig. Manche fragen um Rat, was ihnen besser steht oder wärmer ist“, erzählt Helga Schüler. Durch die Gäste in der Einrichtung erhält sie auch einen Blick in die Welt. Der ist jedoch nicht immer leicht zu ertragen: „Viele sind schwach und krank von der Odyssee, die sie hinter sich haben. Manchen sieht man an, dass sie schreckliche Dinge durchgemacht haben“, sagt ihre Kollegin Ilona Neumann nachdenklich. Ärzte bieten für die Flüchtlinge mehrmals pro Woche ehrenamtlich Sprechstunden vor Ort an. Alle Mitarbeiter haben bei regelmäßigen Supervisionsrunden Gelegenheit, über die Belastungen zu sprechen, die ihre Tätigkeit mit sich bringt.
Gut aufgehoben
„Die Kriege und das Elend auf der Welt können wir nicht verändern“, sagt Jochen Nadolski-Voigt, der Leiter der Unterkunft, und man habe auch wenig Einfluss auf die verschlungenen Wege der deutschen Bürokratie. „Aber solange die Menschen hier bei uns in Oerlinghausen sind, sollen sie sich gut aufgehoben fühlen.“ Dabei sind oft die kleinen Dinge entscheidend: zum Beispiel der Gebetsteppich im Andachtsraum für alle Konfessionen, den die Johanniter als Spende von der türkischen Gemeinde erbeten haben.
Oder Angebote, mit denen man sich die langen Wartestunden verkürzen kann: ein Strickkurs, den Ehrenamtliche leiten, ein interkultureller Treff, bei dem gesungen, getanzt, Theater gespielt und gemalt wird. Die Bilder, die dort entstanden sind, verzieren jetzt die Flure. Auf einem steht: „Germans are very helpful people“ („Die Deutschen sind sehr hilfsbereit“). Ganz in der Nähe, am Empfangstresen, machen ein paar junge Syrer, die am nächsten Morgen in eine andere Einrichtung gebracht werden, Abschiedsfotos mit den Mitarbeitern. Sie rufen auf Deutsch: „Wir lieben Oerlinghausen!“
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