von World Vision
Im Nordwesten Syriens bahnt sich neben einer ökonomischen auch eine Krise der psychischen Gesundheit der Bevölkerung an.
Nach zwölf Jahren Krieg und Vertreibung verschlechtert sich vor allem unter jungen Frauen und Kindern die mentale Stabilität deutlich, stellt die internationale Kinderhilfsorganisation in ihrem jüngst erschienen Report Reaching The Final Straw zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember fest.
WHO: Selbstmorde in Nordsyrien verdreifacht
So hat sich die Zahl der Selbstmorde in der Region Idlib laut Weltgesundheits-Organisation (WHO) zwischen Anfang und Mitte 2022 verdreifacht. Innerhalb eines Zeitraums von gut einem Jahr stieg die Gesamtzahl gemeldeter Suizide auf 80, doch wird mit einer deutlich höheren Dunkelziffer gerechnet.
In einer ergänzenden Befragung von 100 Personen stellte World Vision fest, dass vor allem junge Frauen keinen anderen Ausweg mehr als den Freitod sahen. 40 Prozent der Suizide wurden von unter 18-jährigen Mädchen begangen.
Armut und fehlende Sicherheit sind oft Gründe
Gründe für die Verschlechterung der mentalen Stabilität sieht World Vision vor allem in der weit verbreiteten Armut und der schlechten Sicherheitslage. Die psychische Gesundheit von Frauen und Mädchen wird zudem durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit im Nordwesten Syriens beeinflusst.
Sicherheit ist nicht gegeben, sexuelle und häusliche Gewalt, aber auch Kinderheirat sind verbreitet. Die Ergebnisse der Befragung wurden noch durch Tiefen-Interviews von Sozialarbeitern und Experten für mentale Gesundheit bestätigt.
World Vision kritisiert fehlende Aufmerksamkeit für Syrien
Die Leiterin des Nahost-Regionalbüros von World Vision, Eleanor Monbiot, erklärte zu den Ursachen der negativen Entwicklung:
"Die Finanzierung der Syrien-Hilfe schrumpft, weil andere Krisen mehr Aufmerksamkeit auf sich lenken. Dabei ist der humanitäre Bedarf im Nordwesten Syriens höher denn je. Unser Mitarbeitenden und Partner kennen den Preis, den die Menschen für den Konflikt bezahlen, aus erster Hand, auch welche Unsicherheit dieser für die Zukunft der Kinder und Familien bringt. Der Report sollte ein Weckruf sein, dass wir alle mehr tun müssen."
Mehr Akzeptanz für psychische Erkrankungen
Der Zugang für humanitäre Hilfe müsse über Landesgrenzen hinweg aufrecht erhalten bleiben, um die Armut nicht noch weiter zu verschärfen. Zum anderen müsse psychosoziale Unterstützung für die Bevölkerung umgehend ausgeweitet werden, fordert World Vision.
Gefördert werden müsse auch die gesellschaftliche Akzeptanz psychischer Erkrankungen. Oftmals sei die Existenz mentaler Belastungen noch immer ein Tabu, was ein frühzeitiges Entgegenwirken verhindere.
Hintergrund der World-Vision-Studie
Wenn nicht anders angegeben, basieren die Statistiken auf den Ergebnissen einer World Vision-Studie, die zwischen September und Oktober 2022 durchgeführt wurde. Mit Unterstützung unserer Partner im Nordwesten Syriens wurden 100 Männer, Frauen und junge Menschen in vier wichtigen Städten des Gouvernements Idlib befragt.
Ergänzt wurden die Umfragen durch Fokusgruppendiskussionen (FGD) mit 12 Fachkräften für psychische Gesundheit und psychosoziale Unterstützung (MHPSS) und Interviews mit fünf Experten für psychische Gesundheit, die an der Koordination beteiligt sind.
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