von World Vision
Zivilisten im syrischen Idlib haben kaum noch Orte zum Leben: Das ergibt eine Auswertung von Satellitenbildern der nordwestsyrischen Provinz*. Die Aufnahmen belegen das große Ausmaß der Zerstörung von Wohngebieten und Infrastruktur. Fast ein Drittel der Gebäude zweier Frontstädte wurden durch die Kämpfe beschädigt oder zerstört. Für die vorherigen Einwohner dieser Städte ist eine Rückkehr damit nahezu unmöglich.
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Pressemitteilung: Zivilisten in #Idlib haben immer weniger Raum und können nicht zurück. Eine neue Analyse von Satellitenbildern zeigt das Ausmaß der Zerstörung und Vertreibung. https://t.co/NAYJPzmjVI pic.twitter.com/MwHAxKZ0oC
— World Vision De (@WorldVisionDe) March 4, 2020
Unmenschliche Bedingungen in immer größer werdenden Flüchtlingscamps
Die seit 2017 entstandenen Satellitenbilder zeigen: Zivilisten werden in immer kleinere Gebiete gedrängt. Sie leben dort unter unmenschlichen Bedingungen in immer größer werdenden Flüchtlingslagern, die sich signifikant auf ehemaligem Ackerland ausgebreitet haben. Zwei Flüchtlingslager im Norden von Idlib wuchsen seit 2017 um mehr als das Doppelte (um 100% beziehungsweise 177%) an.
Fadi, 15 Jahre, sagt: "Die Angriffe waren grausam"
Der Syrien-Krieg geht am 15. März ins zehnte Jahr. In Idlib hat sich die humanitäre Situation seit dem Beginn der groß angelegten Militäroffensive im April 2019 dramatisch verschärft. Allein seit Dezember wurden dort fast eine Million Menschen in die Flucht getrieben, mehr als die Hälfte davon Kinder. Der 15-jährige Fadi (Name geändert), der bei einem Luftangriff einen Arm verlor, lebt schon seit einigen Monaten im Zelt. Er schleppt mit einem Arm Ziegel, um Essen für Mutter und Geschwister kaufen zu können, wie er im Interview erzählt: "Die Angriffe waren grausam. Wir konnten nichts mitnehmen außer Matratzen, Decken und ein bisschen Kleidung. Als ich meinen Arm verlor, fühlte es sich an, als wäre ich tot. Jetzt schleppe ich mit meinem Bruder Steine, um meiner Familie zu helfen."
Die vom Signal Program der Harvard Humanitarian Initiative analysierten Satellitenbilder entstanden zwischen 2017 und dem 26. Februar 2020. Sie zeigen schwere Schäden durch die Kämpfe im Süden und Osten der Provinz Idlib. Die Forscher gehen davon aus, dass dort fast ein Drittel der Gebäude schwer beschädigt oder zerstört wurden. Viele Bewohner waren bereits vor den Angriffen geflohen. Die Zerstörung ihrer Häuser und wichtiger Infrastruktur wie Schulen und Krankenhäusern macht es nach Einschätzung der Hilfsorganisationen den Familien praktisch unmöglich, in näherer Zukunft zurückzukehren.
Die Kleinsten haben nichts anderes als Vertreibung und Krieg erlebt
Johan Mooij leitet den Syrien-Einsatz unserer Bündnisorganisation World Vision und sagt: "Die Kinder, die täglich zu uns kommen, sind hungrig, frierend und zutiefst verzweifelt über das, was sie gesehen und erlebt haben. Viele der Kinder in Idlib kommen aus anderen Teilen Syriens und haben in ihrem kurzen Leben nichts anderes als Vertreibung und Krieg erlebt. Jungen und Mädchen im Alter von fünf oder sechs Jahren können jede Bombe nach ihrem Klang bestimmen, aber manchmal kaum ihren Namen schreiben, weil sie bisher keine Chance auf Bildung hatten. Kein Kind sollte jemals gezwungen werden, das Leid und die Umwälzungen zu erleben, die diese Kinder durchmachen. Wir arbeiten daran, sie zu unterstützen, können aber nicht genug betonen: Nur ein dauerhafter Waffenstillstand kann diesem Elend ein Ende setzen."
Nordwestsyrien erlebt die schlimmste humanitäre Krise des neunjährigen Syrien-Konflikts. Kinder sind die Hauptleidtragenden. Nach UN-Angaben wurden im ersten Monat des Jahres 2020 im Nordwesten Syriens mindestens 77 Kinder getötet oder verletzt. Am 25. Februar wurden Berichten zufolge zehn Schulen und Kindergärten in Idlib bombardiert, wobei neun Kinder getötet und Dutzende verletzt wurden. Schätzungsweise 280.000 schulpflichtige Kinder in der Region wurden in ihrer Ausbildung stark eingeschränkt.
Aktuelle Zahlen zum Bürgerkrieg in Syrien
- Zwei Militäroffensiven im nördlichen Hama, im südlichen Idlib und in West-Aleppo haben zwischen April und August 2019 sowie seit Dezember 2019 die massive Vertreibung von Zivilisten ausgelöst.
- Das Gebiet in Idlib, in dem die Mehrheit der Bevölkerung lebt, schrumpfte um 45 Prozent. Das ergibt die Auswertung von Karten und Open-Source-Material aus dem Zeitraum zwischen März 2019 und Februar 2020. In dieser Zeit eroberte die syrische Regierung Gebiete zurück und die Mehrheit der Bevölkerung floh Richtung Norden.
- Die Bevölkerungszahl von Idlib ist dabei ungefähr gleichgeblieben: mehr als 3 Millionen Menschen, darunter 50 Prozent Kinder, leben in der Provinz.
Unsere Bündnisorganisation World Vision ist eine globale Hilfsorganisation, die Kinder und Familien in den von der Syrien-Krise betroffenen Ländern unterstützt. Im Nordwesten Syriens unterstützt World Vision mit lokalen Partnern mehr als zehn medizinische Einrichtungen, Schutzmaßnahmen, lebenswichtige Wasser- und Sanitärversorgung sowie Nothilfe mit Unterkünften, Winterausrüstungen und grundlegenden Gütern.
* veröffentlicht von unserer Bündnisorganisation World Vision, Save the Children und der Humanitarian Initiative der Harvard-Universität.
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