Im Gespräch mit Muzaffer Baca
Über seinen langjährigen lokalen Partner IBC, den Internationalen Blauen Halbmond, leistet Malteser International Nothilfe für mehr als 6.500 intern Vertriebene in Syrien, die wegen der wachsenden Gewalt und andauernden Kämpfe aus ihren Heimatorten in die Hauptstadt Damaskus geflohen sind. Die Kosten hierfür tragen die Malteser und Aktion Deutschland Hilft aus Spendenmitteln sowie das Auswärtige Amt. Im Rahmen seines Besuches in der Zentrale von Malteser International berichtet Muzaffer Baca, Vizepräsident von IBC, über die aktuelle Situation vor Ort:
Wie ist die derzeitige humanitäre Situation vor Ort?
Laut der jüngsten Schätzungen sind mehr als 500.000 Familien innerhalb Syriens auf der Flucht. Sie brauchen dringend Hilfe zum Überleben – Nahrung, Medikamente, Kleidung, ein Dach über dem Kopf … Das Land ist quasi zweigeteilt: der Norden in der Hand der Opposition, der Süden und die Zentren der großen Städte unter Kontrolle der Regierungstruppen. Immer mehr Menschen fliehen auch in die Nachbarländer – nach Jordanien, in den Libanon, den Irak und die Türkei – auf der Suche nach einer sicheren Unterkunft in einem Flüchtlingslager oder bei Verwandten und Bekannten. Darum müssen wir unsere Hilfsmaßnahmen sowohl auf die Vertriebenen innerhalb Syriens als auch auf die außerhalb des Landes geflohenen Menschen konzentrieren.
Wie organisieren Sie die Nothilfe?
Derzeit versorgen wir mehr als 1.200 syrische Familien, die vor den Kämpfen in ihren Heimatorten nach Damaskus geflohen sind, mit Nothilfe- und Hygienepaketen. Diese Nothilfe-Pakete enthalten Decken, Matratzen, Handtücher, Kissen und Küchen-Utensilien. In den Hygiene-Paketen finden die Familien Dinge wie Seife, Zahnpasta und Zahnbürsten sowie Windeln und Wundcreme für Babys. Wir sind froh, dass es uns die aktuelle Situation in Damaskus nun erlaubt, die Hilfsgüter an die Familien zu verteilen. Denn während der Eskalation des Konfliktes vor einigen Wochen waren die Straßen zum Flughafen und zu den Lagerhäusern aufgrund der Auseinandersetzungen zwischen Regierungs- und Oppositionstruppen gesperrt. Nachdem alle Straßen nun wieder offen sind, konnten wir alle Waren, die in diesem Monat zur Verteilung kommen sollen, über lokale Anbieter vor Ort beschaffen.
Wie wählen Sie die Familien, die unterstützt werden, aus? Sind dies wirklich die Familien, die am dringendsten Hilfe brauchen?
Sowohl die Auswahl der Familien als auch die Verteilung der Hilfsgüter erfolgen in enger Zusammenarbeit mit dem Syrisch-Arabischen Roten Halbmond (SARC – Syrian Arab Red Crescent). Alle Vertriebenen, die nach Damaskus kommen, müssen sich von SARC registrieren lassen. Auf der Grundlage dieser von SARC erstellten Listen gehen unsere Mitarbeiter dann von Haus zu Haus, um die Familien auszuwählen, die am dringendsten Hilfe brauchen. Bei diesen Hausbesuchen konzentrieren wir uns auf die zwei ärmsten Vororte von Damaskus; hier leben derzeit oft vier oder sogar noch mehr Familien unter engsten Bedingungen zusammen. Unser Team hat bereits mehr als 350 Familien besucht und auf ihre Notlage hin geprüft. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um Familien mit Frauen, deren Männer im Krieg umgekommen sind, Familien mit Älteren und Kranken sowie Familien mit vielen Kindern. Unsere Hilfe soll den Ärmsten und Bedürftigsten zugute kommen. Deswegen verteilen wir auch die Nothilfe- und Hygienekits direkt in den einzelnen Häusern und stellen auf diese Weise sicher, dass die ärmsten Familien sie erhalten.
Was hat Sie bei Ihrer Arbeit am meisten betroffen gemacht?
Angesichts der seit fast 17 Monate andauernden Kämpfe und der unzähligen Bilder von Tod und Zerstörung dürfen wir nie das unendlich große persönlich Leid vergessen, das fast jede Familie, jeder Einzelne in dieser Zeit erfahren hat und jeden Tag aufs Neue aushalten muss. Erst in der vergangenen Woche berichtete mir unser Team in Damaskus von einem Mann, der in die Hauptstadt geflohen war, nachdem seine beiden Brüder in seinem Heimatdorf getötet worden waren. In einem gemieteten Kleinbus kam er in Damaskus an – mit den sieben Kindern seines ersten Bruders, den drei Kindern seines zweiten Bruders sowie seinen eigenen fünf Kindern. Jetzt kämpft dieser Mann um das Überleben von 15 Kindern, seiner Ehefrau und der beiden Witwen seiner Brüder. – Und das ist nur eines von unzähligen ähnlichen Schicksalen.
Interview: Petra Ipp-Zavazal, 6. August 2012
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