Eberhard Wissinger über den Syrien-Einsatz von Help - Hilfe zur Selbsthilfe
Wie konnte Help – Hilfe zur Selbsthilfe bisher Hilfe leisten?
Help arbeitet seit 2008 in Syrien. Bis Ende 2012 halfen wir mit Finanzierung des Deutschen Auswärtigen Amtes und UNICEF-Syrien in der Hauptsache Flüchtlingen aus dem Irak und unterstützten Gastgemeinden in verschiedenen Regionen des Landes (Damaskus, Landkreis Damaskus, Al Hol / Hassakeh, Tartous). Seit der bewaffnete Konflikt eine Woge von Binnenflüchtlingen ausgelöst hat, versucht Help Hunderttausenden von diesen hilflosen Menschen das nackte Überleben zu ermöglichen. Derzeit muss man davon ausgehen, dass ca. 4,3 Millionen Menschen innerhalb Syriens auf der Flucht sind; das sind 20% der Gesamtbevölkerung des Landes. Die in Syrien vertretenen Internationalen Organisationen sowie 8 internationale Nichtregierungsorganisationen arbeiten seit Mitte 2012 rund um die Uhr, um Hilfe zu bringen. 4 weitere INRO haben kürzlich die Genehmigung der syrischen Regierung erhalten, humanitäre Hilfe in Syrien zu leisten; Vorbedingung ist jedoch, dass diese „Neuen“ eine entsprechende Vereinbarung mit den dafür zuständigen Stellen im Lande schließen, was bis heute nicht möglich war.
Die Umsetzung von Hilfsprogrammen ist derzeit in Syrien durch die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Oppositionskräften extrem erschwert. Das betrifft sowohl den Zugang zu den Zielgruppen als auch die tägliche Arbeit, die Sicherheit der Zielgruppen und des Help Arbeitsteams, die Beschaffung der Hilfsgüter und letztlich auch der Visaerteilung für die nicht-syrischen Mitarbeiter von Help.
Sicherheitshinweise erhält Help vom Sicherheitsdienst der Vereinten Nationen, per SMS und in „real-time“. Alle Teammitarbeiter stehen in ständigem Kontakt; entweder über Mobil oder über Satelliten-Telefon. Alle Mitarbeiter haben Schutzkleidung, und alle stehen permanent in ‚Stand-By‘ – für alle Fälle. Das gilt für 7 Tage pro Woche und 24 Stunden am Tag.
Durch seine langjährige Tätigkeit in guter Kooperation mit dem syrischen Roten Halbmond konnte Help ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis aufbauen, das besonders im derzeitigen Konflikt von besonderem Wert ist.
Was brauchen die Menschen am nötigsten?
Help’s Zielgruppe sind die Binnenflüchtlinge. Sie versuchen, in einem immer enger werdenden Kreis zwischen den Fronten zu überleben. Sie haben weder die Mittel noch die Möglichkeiten, aus diesem Kessel heraus die Grenzen zu den Nachbarländern zu erreichen und außer Landes Zuflucht und Hilfe zu finden. Sie sind ebenso abgeschnitten von den Gebieten des Landes, die heute bereits grenzüberschreitende Hilfe bekommen. Viele Wege stehen offen und viele Hilfsorganisationen leisten humanitäre Hilfe für Flüchtlinge und für Syrer in den Gebieten des Landes, die jenseits der Frontlinien liegen. Das ist nicht einfach, sicherlich, aber die meisten der Hilfsorganisationen agieren aus relativ sicherem Umfeld, in der Türkei, im kurdischen Irak, im Libanon oder auch in Jordanien. Help arbeitet innerhalb des Frontenkreises, und den Menschen, die da nicht rauskommen, fehlt es an allem, um zu überleben: Nahrungsmittel und Wasser, Kleidung, Matrazen, Decken, Medikamenten und ärztliche Hilfe und vieles mehr. Die Listen sind lang, die Not ist unbeschreiblich, Hilfe kann oft nur in extremen Härtefällen geleistet werden, nicht etwa, weil die Mittel fehlen, sondern weil der Zugang zu diesen IDPs versperrt ist.
Was sind die größten Herausforderungen?
Die Risiken für Helps Arbeit in Syrien umfassen die fehlende Sicherheit für die Mitarbeiter als auch für die Zielgruppen, da Kontakt zu Hilfsorganisationen von Fanatikern der Krise bereits als ‚Verrat‘ oder Versuch zur Stärkung des Aufstands angesehen werden kann. Die Durchführung von Helps Hilfsprogrammen in Syrien hat bereits Blutopfer gekostet und die Lehren daraus zeichnen die Herausforderung: Weiter Hilfe leisten, doch die vielen Risiken und Durchführungsprobleme umgehen, den Binnenflüchtlingen das nackte Überleben ermöglichen, ohne weitere Leben aufs Spiel zu setzen.
Was hat Sie am meisten bewegt?
Am meisten bewegt? Die Brutalität der Konfrontation, die als nahezu friedliche Forderung zu mehr sozialer Gerechtigkeit begann, und die mittlerweile auf völlig andere Ebenen des Konflikts geraten ist. Einzelschicksale sagen wenig aus bei einer humanitären Katastrophe, die bereits Tausende von Menschenleben gefordert hat, die Millionen in Flucht und Elend vertrieben hat. Es geht hier um das Schicksal von 20 Millionen Syrern, die in das Ringen um Macht von Fanatikern geraten sind, von Machtfanatikern zwischen Teheran und dem Libanon, zwischen Riyadh und Ankara, zwischen Moskau und Washington, von Kräften, die den Anlass nehmen, um die vielschichtigen Probleme in der großen Region nach ihrer Fasson zu lösen, von weltpolitischen Opportunitäten, gegen die das tägliche blinde Morden zwar Anlass zu Medien-Polemik hergibt, aber in Realität nichts zur Lösung beiträgt, weder für den syrischen Kampfapparat noch für die, die sich ‚Free Armee‘ nennen. Beide morden, beide treten Menschenrechte mit Füssen, beide sind aufgerufen zu antworten, wenn sie die blutigen Ueberreste eines zerfetzten Kindes sehen: WARUM?
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