Viele syrische Flüchtlingskinder schaffen es nicht auf Libanons Schulen
Von Moritz Wohlrab
„Wir wollten nicht, dass unser Sohn als erstes in seinem Leben den Krieg sieht.“ Es war April, als Fatih und seine schwangere Frau Nesrin (alle Namen geändert) den Entschluss fassten, ihrer Heimat Syrien den Rücken zu kehren. Einem Land, in dem einige ihrer Familienangehörigen in Haft gefoltert wurden und das Gefängnis wesensverändert und mit schweren Kopfverletzungen verlassen hatten. Erfahrungen, die Fatih zu einem Satz wie diesen verleiten: „Ich wäre lieber tot als in einem syrischen Gefängnis.“
Gemeinsam mit ihren Kindern Haluk, Nara und Elin sowie dem noch ungeborenen Cem machten sie sich auf den Weg in Richtung Libanon. In die Bekaa-Ebene hatte sich bereits ein Bruder von Fatih geflüchtet, ihr Ziel stand also fest.
Im Libanon teilt sich die sechsköpfige Familie ein Zimmer, der Eigentümer verzichtet auf die Miete. Essensgutscheine und Hygieneartikel erhält die mittellose Familie von World Vision und auch mit Decken wurden sie versorgt – eine lebenswichtige Notwendigkeit angesichts des nahenden Winters, der hier in der Bekaa-Ebene meist besonders kalt ist. „Das Leben ist hart und wir fühlen uns hier, am Rande des Dorfes außerdem isoliert“, sagt Nesrin. Manchmal fühle sie sich wie in einem Gefängnis, wenn Fatih den ganzen Tag über nach einer Gelegenheitsarbeit sucht, und sie mit den Kindern auf den wenigen Quadratmetern alleine ist.
„Sie haben doch schon ein ganzes Jahr verpasst!“
„Ganz klar, wir haben sehr viele Probleme“, sagt Fatih. „Aber das alles ist nichts gegen unsere allergrößte Sorge: Dass unsere Kinder nicht zur Schule gehen können.“ Man habe der Familie gesagt, dass die einzige öffentliche Schule in dem Ort überfüllt sei – „und die nächste Schule ist zu weit abgelegen, um sie zu Fuß erreichen zu können“. Er selbst könne weder lesen noch schreiben, an einen Unterricht zuhause sei also nicht zu denken. Die Kinder seien aber doch sechs und neun Jahre alt und damit in einem Alter, in dem die so wichtige Bildungsbasis vermittelt werde. „Sie haben doch jetzt schon ein ganzes Jahr verpasst!“ Fatihs Verzweifelung ist mit Händen zu greifen.
Patricia Mouamar kümmert sich um die Familie. „Die grenzenlose Sorge der Eltern um ihre Kinder kann einen gar nicht kalt lassen“, sagt die World-Vision-Mitarbeiterin, die ebenfalls aus der Bekaa-Ebene kommt und die Verhältnisse daher bestens kennt. „Wir versuchen natürlich alles, um der Familie wirksam und langfristig helfen zu können. So hatten wir die Kinder bereits in unserem Betreuungszentrum aufgenommen, in dem sie lesen, spielen und einfach Kind sein konnten.“
In Anwesenheit des „Aktion Deutschland Hilft“-Teams spricht Patricia Mouamar mit dem Direktor der örtlichen Schule – und hört neben dem Argument, dass die Einrichtung mit 772 Schülerinnen und Schülern ihre Kapazität erreicht hat, noch eine zweite Sorge: „Im Gegensatz zu den libanesischen Schülern sprechen die syrischen Flüchtlingskinder weder Englisch noch Französisch“, übersetzt Mouamar die emotionalen Ausführungen des Direktors. „Daher hat die Schulleitung die Befürchtung, dass die Lernleistung der örtlichen Kinder stark gehemmt werden könnte.“
Nesrin, die Mutter von Haluk, Nara und Elin erzählt davon, wie ihrem Sohn und ihren Töchtern schon mal die Tränen kommen, wenn sie die anderen Kinder zur Schule gehen sehen. „Ein untragbarer Zustand“, sagt Patricia Mouamar und berichtet davon, dass World Vision in Kürze den Transport von syrischen Flüchtlingskindern in weiter abgelegene Schulen übernehmen wird – finanziert mit Spendengeldern von Aktion Deutschland Hilft. Auch um Schulmaterialien wolle man sich kümmern. Eine Lösung, die der Familie eine gute und langfristige Perspektive aufzeigt – im Libanon, denn ihr Heimatland Syrien werden sie für lange Zeit nicht mehr betreten können.
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