Einen Tag vor dem internationalen Krisen-Gipfel zum Konflikt im Ost-Kongo beschreiben Mitarbeiter der Hilfsorganisation World Vision die humanitäre Lage dort als dramatisch und beklemmend. „Wir haben gestern Flüchtlingslager in Shasha und Bulengo erkundet und gesehen, dass die vielen Menschen, die geflüchtet sind, dringend Trinkwasser, Nahrung und Notunterkünfte benötigen“, sagt Michelle Rice. Teilweise seien die Männer, Frauen und Kinder völlig erschöpft, mangelernährt und traumatisiert. Einige mussten mit ansehen, wie ihre Familienangehörigen auf der Flucht erschossen wurden. Die Helfer seien auch auf verfolgte Pygmäen und desertierte Kindersoldaten gestoßen. Pygmäen werden von Rebellengruppen auch zu Träger- und Kundschaftsdiensten missbraucht.
„Besonders schockierend sind die Fälle von Vergewaltigung und Kindesmord“, sagt Michelle Rice. „Wir haben zum Beispiel im Bulengo-Camp mitbekommen, dass bewaffnete Kämpfer drei Frauen einer Familie vergewaltigt haben: die Großmutter, die Tochter und die Enkelin. Einer anderen Frau wurde ihr Baby vom Rücken geschossen. Frauen aus einem Flüchtlingslager in Shasha berichten, sie seien überfallen und vergewaltigt worden, als sie Brennholz außerhalb des Lagers gesammelt hätten. Es ist der blanke Horror hier!“
World Vision-Mitarbeiter sind in der Provinz Nord-Kivu und haben mit der Organisation von Hilfstransporten begonnen. Zunächst sollen 10.500 Familien, die seit gut einer Woche vor den Kämpfen zwischen Regierungsarmee und Rebellengruppen auf der Flucht sind, sollen Hilfspakete, Decken, Schutzplanen und Hygieneartikel bekommen. Die World Vision-Mitarbeiter konzentrieren ihren Einsatz auf die Flüchtlingslager in Shasha, Minova, Rutshuru und Goma und hoffen, dass die Sicherheitslage Hilfsmaßnahmen zulässt. Nur wenn beide Seite sich an die Waffenstillstandsvereinbarungen halten, sind Nothilfeverteilungen möglich. „Allerdings ist die Sicherheitslage rund um die Provinzhauptstadt Goma im Moment sehr instabil“, beschreibt Michelle Rice. Immer wieder würden die Kämpfe neu aufflammen und es komme zu Schusswechseln.
World Vision setzt sich auch für eine Lösung des Konfliktes auf politischer Ebene ein. Vom internationalen Krisengipfel morgen in Nairobi fordert die Hilfsorganisation friedliche und nachhaltige Lösungsansätze:
- Der Gipfel muss den bisherigen Friedensprozess wiederbeleben und sicherstellen, dass alle Konfliktparteien, einschließlich Rebellengeneral Nkunda, schnellstmöglich zu einer Einigung kommen.
- Kongos Nachbarländer Ruanda und Uganda sollten ihre Grenzen für Flüchtlinge öffnen.
- Die Internationale Gemeinschaft muss neue Finanzmittel für Kongo bereitstellen.
- Sämtliche Feindseligkeiten müssen sofort beendet werden. Die Helfer sollten sicheren Zugang zu den Flüchtlingen in der Nord Kivu-Provinz haben, um sie versorgen zu können.
- Die UN-Friedenstruppe (MONUC) muss die Zivilbevölkerung und vor allem Frauen und Kinder schützen.
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