Es herrscht eine Atempause im Erdbebengebiet auf Java nach dem großen Wettlauf des Rettens. Dabei haben sich die Organisationen doppelt verausgabt, monetär und personell. Die erschöpften Nothelfer ziehen ab. Die Profis des Wiederaufbaus sind bereits eingetroffen und stecken geschäftig ihre Köpfe zusammen bei Meetings im UN-Hauptquartier. Doch den meisten internationalen Organisationen fehlt es an Geld, um sich längerfristig zu beteiligen.
Der Hilfeschrei aus Java ist im Ausland bereits wieder verhallt, auch weil die Behörden das Ausmaß der Katastrophe dramatisch unterschätzt haben, wie jetzt offenkundig wird. Das Beben vom 27. Mai forderte nicht nur fast 6.000 Todesopfer, sondern ließ 600.000 Menschen obdachlos zurück, von denen schätzungsweise noch immer 400.000 im Freien ausharren müssen. Mehr als eine halbe Million Häuser wurden zerstört oder schwer beschädigt. Auch 650 Schulen sind betroffen. Zum Vergleich: in Sri Lanka, einer der vom Tsunami am schwersten betroffenen Länder, war es weit weniger als die Hälfte. Widodo Hostjajo, 35, im Medienzentrum der Katastrophenschutzorganisation SATKORLAK in Yogyakarta tätig, sagt: „Alles hat sich auf Bantul fokussiert, dem am schwersten betroffen Distrikt, aber es gibt Gebiete in unmittelbarer Nähe des Epizentrums, die noch immer isoliert sind, wo noch immer Nothilfe geleistet werden muss und die Menschen auf der Straße schlafen müssen.“
Draußen warten derweil die Menschen in den Dörfern. Oft haben sie bis heute nur vereinzelt Helfer gesehen und Hilfe erhalten. Zelte hier und da, andere haben Kerosinkocher verteilt, geeignet auch zum Kochen unter freiem Himmel. Von der Regierung hat sich bis heute hier niemand blicken lassen, soviel steht fest. Nicht selten sind ganze Dörfer in 57 Sekunden in riesige Schutthalden verwandelt worden. Die Häuser stürzten in sich zusammen, begruben Tausende unter sich. Mindestens 70.000 wurden verletzt, zum Teil schwer, offene Knochenbrüche sind besonders häufig. Java ist die am dichtesten besiedelte Insel Indonesiens. Die Häuschen standen dicht an dicht, oder waren direkt aneinander gebaut. Die Menschen hier nennen es den Dominoeffekt. Jetzt leben sie unter Plastikplanen in den Trümmern ihrer Häuser, oder haben sich aus Fenster und Türrahmen, Latten, Wellblech und Plastik behelfsmäßige Baracken gezimmert. Eingerichtet haben sich die Menschen mit dem, was sie an Hausrat haben bergen können. Hier ein Bett, dort zusammengestellte Schränke, die einen privaten Raum schaffen sollen. Ein komplettes Wohnzimmer unter freiem Himmel mit Schrankwand und übergroßem Bild des Großvaters, das daran lehnt. Ab jetzt wird draußen gelebt, gekocht auf offenem Feuer unter Palmen, dazwischen gackern die Hühner und das Kind wird abends zur Freude der Nachbarn in der Zinkbadewanne geschrubbt. Nichts entzieht sich den Blicken und der Kenntnis der anderen. In der Nacht kommt die Angst hinzu, jeglicher Schutzraum fehlt. Vor zwei Tagen wurden im Dorf Bangunharjo mehrere Plünderer erschlagen. Die Dorfgemeinschaften waren schon immer gut organisiert und halten umschichtig Wache mit der Machete in der Hand.
Doch das Leben geht weiter. Siti Khotijah, 20, sitzt unter einem Baum bereitet Tempe zu. Sojabohnen werden in ein Bananenblatt gewickelt. Nach mehreren Tagen der Fermentierung kann die tofuähnliche Spezialität in Scheiben geschnitten und gebraten werden. Die Mutter ist bereits auf dem Markt, um die erste Ladung zu verkaufen. Die Menschen wirken nicht lethargisch oder apathisch und sind auch nicht verzagt. Überall wird gemeinschaftlich Hand angelegt, der Schutt beseitigt, Trümmer geräumt, Holz und andere Baumaterialien säuberlich getrennt und aufgeschichtet. Ziegel werden abgeklopft und aufgeschichtet. Gotong royong heißt das Schlagwort, die traditionelle gemeinschaftliche Nachbarschaftshilfe in den Dörfern von Java. Die möchte auch Idham Samawi, der höchste Verwaltungsbeamte des am schwersten vom Beben betroffenen Distrikts Bantul, für sich nutzen. Er ruft die Bevölkerung auf, sich auf ihre Kräfte zu besinnen. Sie sollen die Feldarbeit nicht vernachlässigen, aber gleichzeitig mit dem Wiederaufbau beginnen, wenn es notwendig ist in Schichtarbeit. „Könnt ihr nicht einen Trupp Freiwilliger schicken, die uns beim Räumen helfen“, fragt Hilfe suchend der Bauer Cikasmaran aus dem Dorf Kepek im Distrikt Bantul. Sein ganzer Stolz sind seine drei Kühe. In dem 200-Seelen-Nest starben fünf Einwohner, 22 wurden schwer verletzt 44 Häuser wurden total zerstört. Jeder ist betroffen, denn die durchschnittliche Familiengröße liegt bei fünf. „Wir brauchen aber dringend Zelte“, sagt fast flehentlich die 32-jährige Sri Lestari im nächsten Ort, die ihren zweijährigen Sohn auf dem Arm trägt und soeben ein Hilfspaket von Aktion Deutschland Hilft erhalten hat. Ihr Dorf Mulyodadi wurde fast vollkommen zerstört.
Harald Meyer, Landeskoordinator der deutschen Hilfsorganisation HELP, Mitglied von Aktion Deutschland Hilft, sieht dies genauso. „Die Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf, denn im September kann schon die Regenzeit beginnen“, weiß er aus Erfahrung. Kaum ein ausländischer Helfer kennt Indonesien so gut wie der 62-jährige, der am Südasieninstitut in Heidelberg studierte. Seit 26 Jahren lebt er im Land, beherrscht die Sprache perfekt und hat etliche Entwicklungsprojekte für internationale Organisationen umgesetzt. Intensiv beteiligen sich fast alle Organisationen von Aktion Deutschland Hilft an der Nothilfe für die Menschen auf Java. Schwerpunke der Arbeit sind besonders die medizinische Hilfe und Verteilung von Hilfsgütern. Medikamente und medizinisches Gerät wie OP-Bestecke wurden an Krankenhäuser und Gesundheitsstationen verteilt. Speziell aufgestellte mobile Ärzteteams behandeln die Menschen in den Dörfern und impfen im Auftrag von UNICEF die Kinder gegen Masern und Wundstarrkrampf. Hunderte von Zelten konnten bereits verteilt werden und tausende von Nothilfe-Kits, die unter anderem Küchenutensilien und Hygieneartikel enthalten. Hinzu kommen Decken, Wasserkanister, Plastikplanen und Lebensmittel. „Die Zusammenarbeit und Kooperation ist gut“, hierin sind sich HELP-Koordinator, Harald Meyer und sein Johanniter-Kollege Mike Iionescu einig, „aber für weitere Hilfe brauchen wir dringend mehr Geld.“
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