Wer hinter die Fassaden humanitärer Hilfe blickt, merkt schnell, dass die Verteilung von Hilfsgütern, das fertig errichtete Übergangshaus oder die Fortbildung für Hebammen erst am Ende einer langen Reihe von Arbeitsschritten liegen. Im Fernsehen sieht das immer ganz leicht aus: Es gibt eine Katastrophe, die Hilfsorganisationen kommen und verteilen Nahrungsmittel, Medizin und andere Gebrauchsgegenstände. Aber woher stammen diese Hilfsgüter? Und wie werden sie transportiert? In der humanitären Welt ist das die Aufgabe der Abteilung Program Support, also die Unterstützung der eigentlichen Programme. Zum Program Support gehören neben Logistik auch die Finanzbuchhaltung, die Personalabteilung, die allgemeine Büroverwaltung und die Beschaffung.
Ich war schon im Februar 2010, rund einen Monat nach dem Erdbeben in Haiti, von der Logistik hinter der Hilfe fasziniert. Damals besuchte ich das CARE-Warenlager in Port-au-Prince und sprach mit den Logistikern, die unsere Hilfe in die Wege leiteten. Und ein Ausspruch bleibt mir bis heute im Kopf: „Wir sind im Herzen der Operation“, erzählte mir ein Kollege.
Von A nach B… und zurück
Über ein Jahr später ist die unmittelbare Nothilfe in Haiti lange vorbei, und damit auch die Tage, an denen täglich dutzende LKWs mit Hilfsgütern im CARE-Lager eintrafen und es wieder verließen. Heute wird immer noch viel in Empfang genommen und weitertransportiert, aber die Güter sind unterschiedlicher und die Zeitspannen der Verteilungen etwas länger. Heute lagern hier Baumaterialien und Wassereimer, Schubkarren und Büromöbel – die stammen von einem Büro in einer der Provinzen, das CARE Ende 2010 geschlossen hat.
A propos Provinz: Logistische Herausforderungen warten auch in scheinbar banalen Situationen. Wie transportiert man zum Beispiel einen Kopierer ins Büro von Jérémie, rund 200 Kilometer südlich der Hauptstadt Port-au-Prince? Die haitianische Fluggesellschaft setzt kleine Propellermaschinen für den 45-Minuten-Flug ein, in deren Laderaum kein Kopierer passt. Also muss die Maschine notgedrungen mit dem Auto transportiert werden, zehn Stunden auf holprigen Pisten. Und bei der Ankunft stellten die Kollegen enttäuscht fest, dass sich die Papierschublade verbogen hatte und nicht mehr schließen ließ. Also zurück mit dem Gerät nach Port-au-Prince, diesmal vorsichtiger festgezurrt, und hoffen, dass der Schaden repariert werden kann.
Kaufen, kaufen, kaufen – aber richtig!
Viele Hilfsorganisationen reagierten schnell auf den Ausbruch der Cholera, und ein Mittel der Prävention war die Verteilung von Hygiene-Artikeln für Familien, die es sich sonst nicht leisten können. Die Pakete enthielten Seife, Chlor und Wasserreinigungstabletten. Aber wie organisiert man das konkret? Im Idealfall wird vor Ort eingekauft, um Transportkosten und Einfuhrzölle zu vermeiden und den lokalen Markt zu stärken. Schließlich wollen CARE und andere Organisationen die Spendengelder so effizient wie möglich einsetzen.
Wir stellten aber nach einigen Wochen in Haiti auch fest, dass sich die Händler auf die steigende Nachfrage von Chlor einstellten und die Preise erhöhten. Das betraf wiederum diejenigen Haitianer, die sich die Flasche Chlor auf dem Markt selber kaufen mussten. Also mussten Alternativen gefunden werden, um die Preise nicht künstlich zu erhöhen. Die Beschaffung von Gütern ist immer eine Gradwanderung, und nicht umsonst ist die Abteilung Procurement, also Beschaffung, eine der wichtigsten Räder im Betrieb humanitärer Hilfe. Angebote einholen, Preise vergleichen, Qualität sichern und Lieferfristen kontrollieren – den Kollegen vom Procurement wird nicht langweilig, das konnte ich in den letzten Monaten täglich beobachten.
Und dann gibt es noch die kleineren logistischen Herausforderungen, die einzelne CARE-Mitarbeiter betreffen. In den letzten Wochen hat es abends immer wieder geregnet, die Wirbelsturmsaison kündigt sich an. An einem Abend fiel der Regen so heftig, dass es an einen asiatischen Monsun erinnerte. Die meisten Kollegen blieben im Büro und hofften, dass es bald nachlassen würde. Johnny, ein junger Mitarbeiter im Büro neben mir, hatte besonders große Sorgen. Er wohnt in Carrefour und fährt jeden Morgen und Abend mit einem Tap-Tap, den bunten Minibussen, rund anderthalb Stunden ins Büro und zurück. Aber eine der Straßen auf seinem Weg überschwemmt innerhalb von Minuten, sie ist nicht asphaltiert und das Wasser fließt nur langsam ab. Also blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten und zu hoffen, dass der Regen irgendwann nachlässt und den Weg freigibt. Ein ruhiger Feierabend sieht anders aus.
Quelle: Sabine Wilke von CARE Deutschland-Luxemburg e.V.
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