Santo Domingo. Haiti war vor dem Erdbeben am 12. Januar 2010 das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Im Interview sagt der Diplomat, wie es um den Wiederaufbau des Landes steht und was die Haitianer selbst dazu beitragen.
Zur Person:
Hans Walther Rothe, 1929 in Mülheim an der Ruhr geboren, ging 1953 für eine Wuppertaler Export-Firma in die Dominikanische Republik. Nach drei Jahren wurde er Teilhaber, nach zwölf Jahren machte er sich in Santo Domingo selbstständig. Der gelernte Export-Kaufmann ist verheiratet und hat zwei Kinder und vier Enkelkinder. Seit Dezember 1996 vertritt er – ehrenamtlich – als Botschafter die Interessen des Malteserordens in Haiti.
Frage: Herr Botschafter, wie beurteilen Sie die Lage in Haiti?
Rothe: „Das Problem Haitis, das schon vor dem Beben herrschte, hat sich weiter vergrößert: Es existiert zwar ein Staat, aber er ist zu schwach. Die Stichwahl zum neuen Präsidenten ist kurzfristig verschoben. Durch das Beben wurden alle Regierungsgebäude zerstört, Politiker, Verwaltungsfachleute wurden getötet. Die Haitianer fangen neu an.“
Frage: Was können die Menschen tun?
Rothe: „Die Nothilfe dauert an. Zwei Wirbelstürme und die Cholera haben die Überlebenschancen der Familien wieder verschlechtert. Zum Aufbau des Landes gehört, dass sich die Gesellschaft organisiert. Die Haitianer müssen die Selbsthilfe lernen.“
Frage: In welcher Form?
Rothe: „Erstens: Der Staat braucht eine dezentrale Verwaltung, um schnell und passend Antworten auf die lokalen Fragen zu geben. Der Bau oder die Sanierung eines Krankenhauses, einer Schule oder von Wohnhäusern muss schnell genehmigt werden. Das ist nicht die Aufgabe für die Regierung in der Hauptstadt. Zweitens: Die Zivilgesellschaft muss wachsen. Örtliche Komitees müssen zu Motoren werden. Wo Mangel herrscht, können sie auf Probleme hinweisen und an den Lösungen mitarbeiten. Es gibt schon zahlreiche Ansätze dieser Art, aber es reicht noch nicht.
Frage: Millionen Euro und Dollar sind zur Hilfe ins Land geflossen. Reicht das nicht für den Wiederaufbau?
Rothe: Geld allein ist kein Garant für gute Hilfe. Einer der wesentlichen Gründe dafür ist, dass die Eigentumsrechte an Grund und Boden häufig nicht geregelt sind. Die Besitz-Probleme in Haiti sind um ein Vielfaches größer als bei der Wiedervereinigung in Deutschland. Mehr als eine Million Menschen leben noch in Lagern und Zeltstädten. Das Katasterwesen liegt danieder. Manche Grundstücke werden von skrupellosen Geschäftemachern mehrfach verkauft. Ohne klare Eigentumsverhältnisse ist ein Wiederaufbau oft nicht möglich. Die Regierung muss eine Landreform in Gang setzen, um den Menschen, die durch das Beben vertrieben wurden, Grund und Boden zur Verfügung zu stellen. Für sie ist eine dauerhafte Perspektive nötig.
Frage: Wie lange wird die internationale Gemeinschaft Haiti noch zur Seite stehen müssen?
Rothe: Der Aufbau Haitis bedarf der Geduld, sonst ist er nicht stabil. Die Haitianer wünschen sich eine stabile Gesellschaft, ohne Gewalt und Armut. Eine solche Gesellschaft hat aber bisher auf Haiti nie existiert. Also sollte das Ausland die Menschen dabei unterstützen. Wenn wir Haiti wirklich helfen wollen, müssen wir einen langen Atem haben.
Frage: Es wird viel über Korruption berichtet. Wer Hilfe leisten will, muss zahlen, heißt es. Wie gehen Sie als Hilfsorganisation damit um?
Rothe: Die Hilfsorganisationen sind sich einig: Wir gehen den steinigen Weg, der bedeuten kann, dass unsere Hilfe länger dauert, weil wir keine „Sondergebühren“ zahlen. Aber bei der Frage nach Bestechung lautet unsere Maxime: Null Toleranz. Wir wollen, dass die Ablehnung spürbar ist und die Korruption keine Chance hat.
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