Vier Wochen nach dem katastrophalen Erdbeben in Haiti wird deutlich, dass die Menschen dort mehr als die Nothilfe mit Nahrungsmitteln, Trinkwasser und Unterkünften brauchen. „Neun von zehn Haitianern haben Familienangehörige oder Freunde verloren. Das ganze Land trauert“, sagt Sian Platt, Kinderschutz-Experte des internationalen Hilfswerks World Vision. „Beim Wiederaufbau des Landes spielen der Heilungsprozess und das Wohlbefinden der Familien eine große Rolle.“
„Wir wissen, dass Kinder und Erwachsene ihre tiefe Trauer schneller überwinden, wenn menschliche Grundbedürfnisse nach sauberem Trinkwasser, regelmäßigen Mahlzeiten und einem Dach über dem Kopf befriedigt sind und wenn sich in ihrem Leben eine gewisse Routine einstellt“, so Platt weiter. Auch eine sinnvolle Beschäftigung und das Gefühl beim Wiederaufbau gebraucht zu werden, könne den Heilungsprozess beschleunigen.
Um den Kindern im Erdbebengebiet einen sicheren Ort zu vermitteln, hat World Vision inzwischen fünf Betreuungszentren eingerichtet. In Gemeinderäumen oder Großzelten können Mädchen und Jungen unterkommen. Sie werden von geschultem Personal medizinisch und psychisch betreut. Sie können sich dort von ihren Verletzungen erholen oder mit Gleichaltrigen spielen, um ihre schrecklichen Erlebnisse zu verarbeiten. „Es gibt immer noch Kinder, die nicht wissen, ob ihre Eltern die Katastrophe überlebt haben“, sagt Platt. World Vision versuche in Zusammenarbeit mit UNICEF die Familien der Kinder zu finden.
Die achtjährige Syndia beispielsweise hat ihre Mutter und ihren Vater verloren, konnte jetzt zu ihren Nachbarn vermittelt werden. „Ich muss jeden Tag weinen”, sagt das Mädchen. “Ich kann nicht schlafen und denke an meine Mama.” Andere Überlebende klagen über Schlaflosigkeit, Herzklopfen und hohen Blutdruck. Elda Rosier, 45, sagt: “Das Erdbeben hat uns tief getroffen. Ich träume immer noch davon und wache mit Herzrasen und Kopfschmerzen auf.“
World Vision fordert von der internationalen Gemeinschaft, beim Wiederaufbau in Haiti auch die psychische Komponente der Katastrophe zu berücksichtigen. „Wir müssen nicht nur Häuser, sondern auch gesellschaftliche Strukturen wiederaufbauen“, sagt Sian Platt. Dazu müsse man soziale Netzwerke wiederbeleben und so den Familien ein Stück „normalen Alltag“ ermöglichen.
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