Johanniter ziehen gemischte Bilanz nach einem Jahr Hilfseinsatz
Am 12. Januar 2010 bebte in Haiti die Erde. Mehr als 250.000 Menschen starben, Hunderttausende wurden verletzt, rund 1,3 Millionen Menschen wurden obdachlos. Die Johanniter leisteten mit mehreren Teams medizinische Soforthilfe und sind seither mit langfristigen Hilfsprojekten in Haiti aktiv.
Die Bilanz der Johanniter-Unfall-Hilfe nach fast einem Jahr Einsatz in einem der ärmsten Länder der Welt fällt durchwachsen aus. „In Haiti gab es vor dem Beben nichts, nach dem Beben gibt es noch weniger“, sagt Birgit Spiewok, bei den Johannitern zuständig für die Haiti-Projekte. Zum Kampf gegen die Folgen des Erdbebens komme jetzt auch noch der Kampf gegen die Resignation der Bevölkerung.
„Zahlreiche Menschen leben noch immer in Zelten oder notdürftigen Behausungen. Die Aufräumarbeiten gehen nur langsam voran. Zudem sind die Landrechte für viele Grundstücke nicht geklärt, was den Wiederaufbau erschwert. Auch Korruption und die kritische Sicherheitslage machen den Helfern zu schaffen. Wir brauchen einen langen Atem“, erklärt Spiewok die Situation.
Geduld und Beharrlichkeit zeigen aber auch erste Erfolge: Seit Februar 2010 konnten die Johanniter in ihrer mobilen Orthopädiewerkstatt in Léogâne hunderte Menschen behandeln, die nach dem Erdbeben eine Behinderung durch schwere Knochenbrüche erlitten haben oder denen Gliedmaßen amputiert werden mussten. 16 Haitianer werden von den Johannitern zu Fachkräften ausgebildet, um eine langfristige Behandlung sicher zu stellen.
„Wir helfen unseren Patienten im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Beine“, beschreibt Thomas Iwalla, Orthopädietechniker der Johanniter in Léogâne, seine Arbeit. „Mitzuerleben, wie jemand mit Hilfe einer Prothese wieder laufen kann, ist ein wunderbares Gefühl“, so Iwalla. Die Hilfesuchenden werden zugleich physiotherapeutisch und psychosozial betreut. „Viele sind traumatisiert. Vor allem für Menschen mit Amputationen ist das Beben stets präsent. Sie müssen ein neues Köpergefühl entwickeln, lernen mit Prothesen, Gehhilfen oder Rollstühlen umzugehen. Dabei helfen wir ihnen mit zahlreichen Therapieangeboten“, erklärt der Johanniter-Fachmann.
Auch der Einsatz mobiler Kliniken der Johanniter hat sich trotz aller Schwierigkeiten bewährt. Seit Februar 2010 fahren täglich drei medizinische Teams in die verschiedenen Distrikte von Léogâne und behandeln die Patienten unter freiem Himmel. Auf diese Weise konnten seither jeden Tag zwischen 200 und 300 Patienten versorgt werden. Schwerpunkte waren dabei die Bekämpfung der Cholera durch Hygieneaufklärung und die Unterstützung von staatlichen Gesundheitsmaßnahmen mit Medikamenten und medizinischem Personal.
Für 2011 stehen Wiederaufbau und Unterstützung stationärer Gesundheitsstationen sowie der Aufbau eines Ambulanzwesens in Léogâne und Grand Goâve auf dem Plan.
Zahlreiche Menschen unterstützten die Hilfsorganisationen und Hilfsbündnisse wie „Aktion Deutschland Hilft“ mit einer Spende. Allein die Johanniter bekamen für ihre Arbeit in Haiti knapp neun Millionen Euro, davon 7,4 Millionen Euro Spenden und knapp 1,6 Millionen Euro Zuschüsse vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, vom Humanitären Büro der Europäischen Union und vom Auswärtigen Amt.
Birgit Spiewok: „Diese Mittel ermöglichen es uns, perspektivisch zu denken. Wir brauchen langfristig geplante, nachhaltige Projekte, um in Haiti voranzukommen. Ein ganz konkretes Ziel unserer Fünf-Jahres-Strategie ist es zum Beispiel, die derzeit noch mobile Gesundheitsversorgung in feste Strukturen zu überführen. Unsere Ambulanzfahrzeuge können dann im Rettungsdienst eingesetzt werden. So leisten wir einen langfristigen Beitrag zum Aufbau einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung in Haiti.“
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