Das Team von Handicap International in Haiti sieht sich einer unglaublichen Anzahl von Verletzten gegenüber und schätzt die Zahl der amputierten Menschen bereits jetzt auf über 1.000. Die Organisation erstellt gerade einen Projektplan für die Hilfe in Haiti, der sich über mehrere Jahre erstrecken soll.
Um den zahllosen Verletzten zur Hilfe zu kommen, stehen Handicap International im Moment vor Ort ca. 30 Angestellte zur Verfügung. Sie arbeiten in sechs mobilen Versorgungsteams. Das gesamte Team soll in den nächsten zwei bis drei Wochen auf rund 100 Personen aufgestockt werden, darunter ca. 15 aus dem Ausland.
Zwei unserer mobilen Teams mit Spezialisten für Rehabilitation arbeiten direkt mit acht Krankenhäusern in Port-au-Prince zusammen. Beim Großteil der Operationen, die im Moment durchgeführt werden, handelt es sich um Amputationen. Da auch in den Krankenhäusern viele Bereiche zerstört wurden, können im Moment nur die Schwerstverletzten versorgt werden. Viele Menschen mit leichten Verletzungen müssen so lange warten, bis die schwereren Fälle behandelt werden konnten. Allein in diesen acht Krankenhäusern liegen im Moment mehrere hundert Menschen mit frischen Amputationen – und es werden jeden Tag mehr.
„Die aktuelle Lage in Haiti ist mit keiner früheren Katastrophe zu vergleichen“, sagt Thomas Calvot, Spezialist bei Handicap International für die Versorgung von Verletzten nach Erdbeben. „Die unglaubliche Zahl der Verletzten – 250.000 laut der Vereinten Nationen – in Kombination mit der Tatsache, dass viele medizinische Einrichtungen beim Erdbeben zerstört wurden, macht die Lage besonders prekär. Nach den schweren Erdbeben in China 2008 oder Pakistan 2005 war die Situation weniger kritisch, da dort die Krankenhäuser nicht so sehr vom Beben betroffen waren und weiter arbeiten konnten. In Haiti kann im Moment keine Organisation alleine alle Bedürfnisse abdecken. Wir arbeiten schon mit Partnerorganisationen zusammen, um uns um möglichst viele Verletzte kümmern zu können.“
In Abstimmung mit den Verantwortlichen in den Krankenhäusern kümmern sich die Teams von Handicap International um postoperative Rehabilitation, verteilen Gehhilfen und orthopädisches Material. Außerdem wird jetzt schon ein Projekt eingerichtet, das die Betroffenen auf lange Sicht weiter in ihrer Genesung begleiten soll. Die amputierten Menschen müssen darauf achten, ihre Gelenke zu bewegen, um Krämpfe zu verhindern. Ohne physiotherapeutische Übungen kann später keine Prothese angepasst werden.
Der Bedarf an Prothesen wird sehr hoch sein. Mit ihrer Anpassung kann aber erst in einigen Wochen begonnen werden, nach der vollständigen Heilung der Amputationen. Handicap International wird in den nächsten sechs Monaten 300-400 provisorische Prothesen anfertigen. Diese müssen aber baldmöglichst durch permanente, gut angepasste Prothesen ersetzt werden. Das Ziel der Organisation ist es, auf Haiti einheimische Spezialisten für Orthopädietechnik auszubilden und entsprechende Werkstätten einzurichten, damit die langfristige Wirksamkeit der Projekte gewährleistet ist.
Die vier weiteren mobilen Teams von Handicap International sind in besonders betroffenen Armenvierteln der Hauptstadt unterwegs. Dort stellen sie die medizinische Versorgung sicher und verteilen Mobilitätshilfen in den Notunterkünften.
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