von AWO International/Aktion Deutschland Hilft
Die indische Mutation des Coronavirus hat sich in Nepal ausgebreitet. Pro Tag werden circa 8.000 Neuinfektionen gemeldet und die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Fast jeder zweite Getestete ist positiv.
Martina Purwins leitet das Regionalbüro Südasien unserer Bündnisorganisation AWO International.
Im Interview berichtet sie über den aktuellen Alltag in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu und die schwierige Versorgungslage in den Krankenhäusern. Und sie spricht über ihre Befürchtung, dass die Pandemie nun auch die abgelegensten Bergdörfer erreichen könnte.
Frau Purwins, wie ist die aktuelle Lage in Nepal?
Nepal befindet sich seit mehreren Wochen im strikten Lockdown. Wir dürfen am Tag nur für zwei bis drei Stunden das Haus verlassen, um einzukaufen. Und das nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad – Autos und öffentliche Verkehrsmittel sind verboten.
Alle versuchen, Lebensmittel auf Vorrat zu kaufen, um möglichst selten das Haus verlassen zu müssen. Die Straßen sind wie ausgestorben. Man hört täglich die Sirenen der Ambulanzen. Selbst für Spaziergänge ist die Angst der Menschen zu groß. Sie sind zutiefst verunsichert.
Wie ist die Versorgungslage in den Krankenhäusern?
Die Krankenhäuser sind überlastet – egal, ob in größeren Städten oder den Provinzen. Es mangelt an Sauerstoff, Beatmungsgeräten, Personal und Schutzausrüstung. Patient:innen, die auf Behandlungen und freie Betten warten, werden teilweise abgelehnt, weil die Kapazitäten nicht ausreichen. Allein in Kathmandu werden pro Tag 15.000 Flaschen Sauerstoff benötigt, doch es können täglich nur 10.000 nachgefüllt werden.
Viele Menschen in Nepal, besonders diejenigen, die im informellen Sektor arbeiten, haben keine Krankenversicherung. Sie müssen für ihre Behandlungskosten selbst aufkommen. Ein Tag auf der Intensivstation kostet circa 300 US Dollar – der durchschnittliche Monatslohn liegt zwischen 100 und 300 US Dollar. Die Ersparnisse haben die meisten schon vergangenes Jahr aufgebracht.
Sie leben und arbeiten in Kathmandu. Wie geht es Ihnen?
Hier kennt mittlerweile jeder jemanden, der infiziert oder gestorben ist. Momentan ist vor allem die Altersgruppe zwischen 20 und 59 Jahren betroffen, die Sterblichkeit ist sehr hoch. Es rückt immer näher und das macht natürlich Angst.
Dadurch, dass die Krankenhäuser so ausgelastet oder überlastet sind, macht man sich bereits bei leichteren Beschwerden Sorgen. Was mache ich, wenn ich beispielsweise Zahnschmerzen habe? In der aktuellen Situation gibt es keine Kapazitäten und niemand möchte sich unnötig in Gefahr bringen.
Der Gedanke, dass wir uns aufgrund des Lockdowns nicht gegenseitig helfen können, macht hilflos. Besuche sind nicht möglich, wir können uns höchstens am Telefon Mut zusprechen. Alle sind auf sich gestellt.
Wie ist die Situation der Menschen auf dem Land?
Gerade in den Bergdörfern ist die Versorgungslage sehr schwierig. Die Entfernungen sind groß und nicht überall gibt es befahrbare Straßen. Zum Teil müssen Erkrankte kilometerweit zur nächsten Gesundheitseinrichtung laufen oder mit einem Maultier transportiert werden.
Wenn sich die indische Virusmutante dort wie befürchtet ausbreitet, wage ich mir die Situation für die Bevölkerung nicht auszumalen.
Wird in Nepal geimpft?
Von den circa 28,6 Millionen Einwohner:innen haben mehr als 2 Millionen Menschen die Erst- und mehr als 360.000 Menschen die Zweitimpfung erhalten. Weitere Impfungen, die für Mai geplant waren, werden wegen des Lockdowns verschoben. Es ist schwer abzusehen, wann es weitergeht. Auch das verunsichert die Menschen sehr.
Was macht Ihnen dieser Tage Hoffnung?
Das zu beantworten, fällt mir gerade schwer. Hoffnung machen die langsam sinkenden Zahlen. Ich hoffe sehr, dass diese weiter sinken und uns in Nepal nicht die gleiche Entwicklung wie in Indien bevorsteht.
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