Viele Länder sind in einem Kreislauf aus Nothilfe und langfristigen Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit gefangen. Wie kann dieser Ihrer Meinung nach gestoppt werden? Bedarf es einer besseren Verzahnung von Auswärtigem Amt (AA) und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ)?
CDU/CSU: Nothilfe und langfristige Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit sollen in erster Linie Hilfe zur Selbsthilfe sein. Wir wollen nicht bevormunden, sondern die Menschen dazu befähigen, sich mit Unterstützung aus manchem Teufelskreis zu befreien. In Not- und Krisenlagen sichert die humanitäre Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft das Überleben der Flüchtlinge. Innerhalb der Bundesregierung ist das Auswärtige Amt für diese Soforthilfe verantwortlich. Als Ergänzung dazu sind die Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit auf längere Zeiträume angelegt. Ziel ist, die Situation in den von Krisen betroffenen Regionen nachhaltig zu stabilisieren und die Lebensbedingungen vor Ort zu verbessern. Das BMZ stimmt sich bei dieser Arbeit eng mit dem Auswärtigen Amt ab, um die humanitäre Hilfe möglichst optimal mit den Vorhaben der langfristig wirkenden Entwicklungszusammenarbeit zu verknüpfen. Diese Koordinierung funktioniert in der Praxis bereits gut, sollte aber weiterentwickelt werden.
SPD: Nothilfe und Entwicklungszusammenarbeit sind eng miteinander verknüpft. Nicht immer aber greifen die Maßnahmen von Hilfsorganisationen und entwicklungspolitischen Organisationen mit ihren verschiedenen Arbeits- und Finanzierungsinstrumenten stimmig ineinander. Dies muss sich ändern. Der erste Humanitäre Weltgipfel in Istanbul im Mai 2016 hat ein Umdenken eingeleitet. Menschen in Not brauchen zwar sofort und verlässlich Hilfe. Deshalb benötigt das globale humanitäre System mehr und flexibler verfügbare Mittel. Mit dieser reaktiven Hilfe müssen aber zugleich vorausschauend Krisenprävention, Stabilisierung und Friedenskonsolidierung mit längerfristigen Maßnahmen und Finanzierungen Hand in Hand gehen. Wir setzen uns auch für eine stärkere Einbindung von lokalem Personal mit ihrem Know How ein. Auf dem Humanitären Weltgipfel wurden viele sinnvolle Anregungen gegeben, um die Krisen in der Welt besser bewältigen zu können. Diese werden auch AA und BMZ aufgreifen, um die Koordination ihrer Arbeit weiter zu verbessern und gemeinsam ihren jeweiligen Aufgaben gerecht werden zu können.
Bündnis 90/ Die Grünen: Humanitäre Notlagen sind mit friedens- und entwicklungspolitischen Herausforderungen untrennbar verknüpft. Konflikte und Instabilität sind nicht nur Auslöser für die aktuelle Flüchtlingssituation, sondern auch die größte Hürde für das Erreichen der Nachhaltigkeits- und Entwicklungsziele. Daher fordern wir schon seit Langem nicht nur eine effektivere Zusammenarbeit von BMZ und AA, sondern Politikkohärenz über die gesamte Entwicklungs-, Außen-, Wirtschafts- und Handelspolitik hinweg. Nur mit umfassenden Ansätzen und langfristigem Engagement ist nachhaltiger Frieden und Entwicklung möglich. Gleichzeitig muss die Politik stärker als bisher bei den Ursachen der Krisen ansetzen.
DIE LINKE: Die Fraktion DIE LINKE fordert, dass eine Zusammenlegung von humanitärer Hilfe, Übergangshilfe und Entwicklungszusammenarbeit im BMZ gründlich geprüft wird. Sofern eine Zusammenlegung nicht stattfindet, fordert die Fraktion DIE LINKE, adäquate Maßnahmen zur besseren Verknüpfung der Instrumente der internationalen Hilfe und Zusammenarbeit. Zudem müssen die Grundsätze der humanitären Hilfe wie das Neutralitätsgebot und das „Do-no-harm-Prinzip“ streng eingehalten werden. Humanitäre Hilfe darf weder sicherheitspolitischen noch geostrategischen Zielen untergeordnet werden.
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