Immer mehr Menschen sind weltweit auf humanitäre Hilfe angewiesen. Welchen Beitrag müssen Bundesregierung und Politik leisten, um diesem Trend entgegenzuwirken?
CDU/CSU: Wir alle müssen die Krise zum Wendepunkt machen, sie als Chance sehen, die Ursachen nicht länger und konsequent zu ignorieren. Seit dem Jahr 2000 hat sich der Bedarf an humanitärer Hilfe innerhalb kürzester Zeit von rund zwei Milliarden US-Dollar mehr als verzehnfacht, auf heute über 20 Milliarden. Nie gab es mehr Menschen, die Hilfe zum Überleben brauchen: Waren es vor zehn Jahren über 30 Millionen Menschen sind es heute mehr als 125 Millionen. Über 65 Millionen Menschen sind auf der Flucht, so viele wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Die Anforderungen an humanitäre Hilfsleistungen sind enorm gewachsen – insbesondere Qualität, Effizienz und Koordinierung betreffend. CDU und CSU werden sich deshalb auch zukünftig entsprechend der steigenden Bedeutung humanitärer Hilfe engagieren. Dabei wollen wir neben dem Auftrag der humanitären Hilfe stärker die Aufgaben der Krisenprävention, der Katastrophenrisikovorsorge und der Friedensförderung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in den Blick nehmen und beide Bereiche stärker miteinander vernetzen. Die Perspektive der humanitären Hilfe muss sich künftig noch viel stärker verändern: von einer rein reaktiven Hilfeleistung nach einer Krise zu einem vorausschauenden Handeln zur Vermeidung von Krisen. Ferner liegt es im deutschen und europäischen Interesse, die Handlungsfähigkeit der relevanten VN-Organisationen zu verbessern. Dies entspricht unserer Verantwortung, stärkt die Stabilität, hilft schneller und gezielter den betroffenen Menschen in ihren Heimatregionen und reduziert so Fluchtursachen.
SPD: Über 65 Millionen Flüchtlinge weltweit sind vor Naturkatastrophen, Armut, Perspektivlosigkeit und gewaltsamen Auseinandersetzungen geflohen. Diesen menschlichen Tragödien müssen wir mit einem kohärenten Maßnahmenpaket auf internationaler Ebene gegensteuern. So steht die SPD z. B. für eine ambitionierte Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, da sie wesentlich zu einer Verbesserung der Lage beitragen kann. Kernpunkte einer Lösung sind Krisen- und Konfliktprävention, Armutsbekämpfung, Ernährungssicherung, Wirtschaftsentwicklung, Bildung sowie nachhaltige Klimapolitik. Positiv wirkt sich auch die politische und wirtschaftliche Teilhabe von Frauen aus. Die Bundesregierung wird beim G20-Gipfel in Hamburg auf die umfassende Umsetzung der Agenda 2030 mit ihren globalen Zielen drängen. Zugleich aber wird Hilfe sofort benötigt. Aktuell drohen Hungersnöte im Jemen, in Somalia, im Südsudan und in Nordost-Nigeria. Allein im Jemen sind 19 Millionen Menschen auf Unterstützung angewiesen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns für eine massive Aufstockung der Mittel für humanitäre Hilfe eingesetzt haben. Auf der Londoner Geberkonferenz hat Deutschland 2,3 Milliarden Euro bis 2018 zugesagt. Die SPD wird alles tun, damit wir diese Zusage einhalten werden.
Bündnis 90/ Die Grünen: Die beste Hilfe bestünde darin, Konflikte und Krisen gar nicht erst ausbrechen zu lassen, gegen Natur- und Klimakatastrophen rechtzeitig Vorsorge zu treffen, das humanitäre Völkerrecht und die Flüchtlingskonvention zu respektieren, und die Betroffenen durch Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten in die Lage zu versetzen, ihr Schicksal mit selbst in die Hand zu nehmen. Deshalb muss die Bundesregierung sich – gerade auch im Rahmen der Vereinten Nationen – auf allen Ebenen für zivile Krisenprävention stark machen. Durch Naturkatastrophen gefährdete Länder brauchen nachhaltige Unterstützung beim Aufbau der für die Katastrophenvorsorge notwendigen Strukturen. Außerdem muss sich die Bundesregierung mit Nachdruck dafür einsetzen, dass das geltende humanitäre Völkerrecht respektiert wird, bis hin zur strengeren Kontrolle bzw. Beendigung der eigenen Rüstungsexporte. Den Fluchtbewegungen muss nicht nur mit Nothilfe, sondern auch mit Möglichkeiten zur legalen und geordneten Migration, Kontingentlösungen und vor allem fairen Asyl- und Aufnahmeverfahren begegnet werden. Mit einem neu zu gründenden Institut für humanitäre Angelegenheiten wollen wir die deutsche humanitäre Hilfe inhaltlich stärken und zur Lösung humanitärer Fragen beitragen.
DIE LINKE: In den Haushaltsdebatten bringt DIE LINKE jedes Jahr Anträge für eine deutliche Erhöhung der Mittel für humanitäre Hilfe ein. Diese werden von den Regierungsparteien regelmäßig abgelehnt. Wir brauchen jedoch in den Staaten des Globalen Nordens einen grundlegenden Politikwechsel, da diese maßgeblich für den zunehmenden Klimawandel, für milliardenschwere Waffenexporte an Staaten des Globalen Südens und für eine ungerechte Weltwirtschaftsordnung verantwortlich ist.
© Bündnis deutscher Hilfsorganisationen: Wahlprüfsteine