Katastrophenvorsorge ist ein wichtiger Teil der humanitären Hilfe – sie mindert das Leid der Betroffenen und senkt materielle Schäden. In welcher Form kann die Politik das Thema konkret fördern?
CDU/CSU: Für Projekte der Katastrophenvorsorge setzt das Auswärtige Amt bereits jetzt jährlich 10 Prozent seiner Mittel der humanitären Hilfe ein – eine im internationalen Vergleich beachtliche Summe. Allein Dimension und Risiken des Klimawandels unterstreichen die Notwendigkeit für diese Strategie. Neben effektiven Frühwarn- und Schutzmaßnahmen spielt auch die Vermittlung grundlegenden Wissens – wie beispielsweise Schulungen hinsichtlich der Schaffung und Einhaltung von Baustandards in von Erdbeben bedrohten Gebieten – eine wichtige Rolle. Während bei dem Erdbeben in Haiti im Januar 2010 mehr als 220.000 Menschen starben, war nach einem noch stärkeren Beben in Neuseeland im September 2010 auch Dank sicherer Bauweise kein einziges Todesopfer zu verzeichnen. Einen Schwerpunkt der durch die Bundesregierung geleisteten Hilfe ist seit 2008 der Schutz von gefährdeten Küstenregionen vor Überschwemmungen. Länder, die 2009 bis 2011 besonders von deutscher Hilfe in der Katastrophenvorsorge profitierten, sind darüber hinaus Afghanistan und Pakistan.
SPD: Wirksame Katastrophenvorsorge kann humanitäre Hilfe in vielen Fällen entbehrlich machen und Menschen viel Leid ersparen. Je systematischer Katastrophen und gewaltsamen Konflikten vorgebeugt wird, desto besser sind Menschen und Sachwerte geschützt und desto geringer ist der finanzielle Einsatz. Die Prävention von Katastrophen und Konflikten erfordert erheblich weniger Geld als die Bewältigung von ausgebrochenen Katastrophen und Konflikten. Dieses Ziel erfordert ein Umdenken in der Politik und bei den Hilfsorganisationen weg von der Sofort- und Nothilfe hin zu längerfristigem präventiven Handeln. Konkret bedeutet dies zum Beispiel die Einrichtung von Frühwarnsystemen, Risikoanalysen, Unterstützung lokaler Hilfsstrukturen, Teilhabe der Bevölkerung, insbesondere auch der Frauen, Einsatz von zivilem Friedenspersonal, Verankerung einer Kultur der Prävention und „Preparedness“ auch in den großen internationalen Hilfsorganisationen.
Natürlich ist es schwieriger, für einen solch präventiven Ansatz Spendengelder zu sammeln. Deshalb ist hier die Politik gefordert. Sie kann mangelnde private Spenden ausgleichen und inhaltlich und finanziell richtungsweisende Schwerpunkte setzen. Wenn sich die Fach- und Haushaltspolitiker/innen in Regierung und Parlament einig sind, können sie die Katastrophenvorsorge gezielt fördern.
Zu Regierungszeiten der SPD haben wir einen Aktionsplan zur zivilen Konfliktprävention erarbeitet. Dieser wird zwar auch heute noch umgesetzt – durch die schwarz-gelbe Koalition allerdings inhaltlich und finanziell mit nur wenig Engagement. Zu Beginn dieser Legislaturperiode wurde sogar das Budget sowohl für humanitäre Hilfe als auch für präventive Maßnahmen massiv gekürzt. Mittlerweile hat die Koalition ihre kurzsichtige Politik korrigiert. Nicht förderlich für eine konsequente Katastrophenvorsorge ist die unklare neue Aufgabenverteilung zwischen Auswärtigem Amt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Laut des Leitfadens beider Ressorts liegt die Zuständigkeit für humanitäre Hilfe inklusive Katastrophenvorsorge beim Auswärtigen Amt, die Zuständigkeit für entwicklungsfördernde und strukturbildende Übergangshilfe inklusive Katastrophenvorsorge beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Hier sind Reibungsverluste vorprogrammiert.
Die Folgen des Klimawandels und anhaltende gewaltsame Konflikte werden den Bedarf an humanitärer Hilfe weiter wachsen lassen. Umso wichtiger ist es, auf akute Notfälle nicht nur zu reagieren, sondern bereits im Vorfeld aktiv zu sein, um sie zu verhindern oder in ihren Folgen für die Menschen abzumildern. Die SPD-Fraktion steht für eine Politik der Prävention.
FDP: Das Auswärtige Amt unter Guido Westerwelle hat 2011 eine „Preparedness-Initiative“ lanciert, um Katastrophenvorsorge und Krisenreaktionsfähigkeit auf der internationalen Agenda zu stärken. Ein in Vorsorge investierter Euro spart bis zu sieben Euro in der Reaktion. Gemeinsam mit besonders von Katastrophen bedrohten Staaten, internationalen Organisationen, Geberstaaten und Nichtregierungsorganisationen sollen die weltweit gemachten Erfahrungen genutzt werden, um konkrete Empfehlungen zur besseren Vorbereitung auf Katastrophen zu erarbeiten und ihre Umsetzung in die Praxis zu fördern. Deutschland treibt diese Agenda als Vorsitzender der Good Humanitarian Donorship Initiative und der OCHA Donor Support Group maßgeblich voran.
Bündnis90/Grüne: Krisen frühzeitig vorzubeugen und geeignete Bewältigungsstrategien für gefährdete Gesellschaften zu entwickeln ist aus Sicht von Bündnis 90/Die Grünen die effektivste Form der humanitären Hilfe. Denn wie viele Opfer eine Katastrophe fordert, hängt entscheidend davon ab, wie verwundbar die betroffenen Menschen sind. Gerade sogenannte Entwicklungsländer werden häufig nicht unerwartet, aber ohne ausreichende Vorbereitung von (Natur-)katastrophen getroffen.
Unsere Fraktion setzt sich dafür ein, dass Frühwarnsysteme und lokale Selbsthilfekapazitäten bereits im Vorfeld von Katastrophen gestärkt werden. Eine gezielte Zusammenarbeit mit gefährdeten Staaten in Bereichen der öffentlichen Infrastruktur, der medizinischen Versorgung, der guten Regierungsführung, der Ernährungssicherung und des Umweltschutzes bedeuten für uns aktive Katastrophenprävention. Wir haben wiederholt auf den wechselseitigen Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Katastrophenrisiko hingewiesen und streiten dafür, dass ‚grüne Lösungen‘ zu einem elementaren Bestandteil der internationalen Wirtschafts- und Entwicklungsverhandlungen werden (vgl. Bundestagsdrucksache 17/2132).
Darüber hinaus hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der laufenden Legislaturperiode erfolgreich darauf gedrängt, dass die Bundesregierung eine Strategie zur deutschen Humanitären Hilfe im Ausland vorlegt (vgl. Bundestagsdrucksache 17/7552). Die Fraktion unterstützt die Arbeit des Büros der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Hilfe (UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs – OCHA) und steht für einen kontinuierlichen Dialog zwischen den Vertretern des Büros und dem Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, wie er zuletzt im Januar 2013 erfolgt ist.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat stets dafür gekämpft - und wird dies auch weiterhin tun-, dass die finanziellen Mittel für den Bereich der Humanitären Hilfe im Bundeshaushalt (Auswärtiges Amt und Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) aufgestockt werden. Wir wollen das 0,7 Prozent-Ziel (also einen Anteil von 0,7 % der Bruttonationaleinkommen für Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe), innerhalb einer Legislaturperiode bis 2017 erreichen. Dazu haben wir einen ODA-Aufholplan erarbeitet, der schon 2014 1,2 Milliarden Euro mehr für Entwicklungsfinanzierung und Humanitäre Hilfe vorsieht.
Die Linke: Der humanitären Hilfe kommt unter den Herausforderungen des Klimawandels und der Klimakatastrophen immer mehr Bedeutung zu. Zusätzlich zu der humanitäre Soforthilfe und der humanitäre Nothilfe setzt sich die Fraktion DIE LINKE vor allem für die Vorsorge oder Preparedness ein, d.h. die Folgen künftiger Krisen und Katastrophen im Vorfeld zu mildern.
Naturkatastrophen und Hunger treffen immer zuerst die Armen einer Gesellschaft: Die Häuser in den Slums und Favelas, die Hütten der Fischer fallen zuerst in sich zusammen; Menschen, die Missernten nicht mit dem Kauf von Nahrungsmitteln ausgleichen können, hungern. Die Situation der Armen muss dauerhaft geändert werden, um die Zahl der Opfer in Krisensituationen zu vermindern. Gleichzeitig müssen die Strukturen der humanitären Hilfe vor Ort ausgebaut und mit den nötigen Ressourcen ausgestattet werden, um schnell und effektiv die Betroffenen zu erreichen. Zwischen 2002 und 2011 waren laut dem Roten Kreuz durchschnittlich 268 Millionen Menschen jährlich von Naturkatastrophen betroffen, die bei uns fast unbemerkt blieben. Diese „Stillen Katastrophen“ müssen mehr Beachtung finden. Es sollten mindestens 30 Prozent des Budgets der humanitären Hilfe für diese Betroffenen verwendet werden. Berichte zeigen immer wieder, dass Gewalt gegen Frauen in Krisenzeiten massiv zunimmt. Zudem ereignen sich weltweit über 60 Prozent aller Fälle von Müttersterblichkeit in nur zehn Ländern, neun davon befinden sich entweder in einem Krieg oder im Wiederaufbau. Frauen und Kinder müssen in Krisensituationen und in Flüchtlingssituationen besonders geschützt werden.
Die humanitäre Hilfe wird von der Bundesregierung zunehmend politisiert und durch die „zivilmilitärische Koordinierung“ militarisiert, wie auch die Krisen in Syrien und Mali gezeigt haben. Militärische Einsätze und humanitäre Hilfe dürfen nicht vermischt werden. Katastrophenschutz muss flächendeckend und dezentral organisiert sein, um schnell und effektiv zu wirken. Viele Organisationen wie AWO International, Ärzte ohne Grenzen, Handicap International, Rotes Kreuz und Roter Halbmond, SODI, Paritätischer Wohlfahrtsverband und andere besitzen langjährige Erfahrung vor Ort und vernetzen sich erfolgreich. DIE LINKE setzt sich daher besonders für eine Stärkung des Katastrophenschutzes vor Ort ein. Katastrophenschutz muss von zivilen und humanen Erwägungen geprägt und politisch unabhängig sein, sicherheits- und außenpolitischen Strategien müssen ausgeschlossen werden. Die primäre Verantwortung für die Umsetzung im Katastrophenfall muss bei den zuständigen Behörden der betroffenen Staaten liegen. DIE LINKE spricht sich für eine deutliche Erhöhung der Mittel für Projekte der Katastrophenvorsorge ebenso wie die der zivilen Entwicklungszusammenarbeit aus. Deutschland gibt im Jahr 33,3 Milliarden Euro für Rüstung, Krieg und Militär aus. Dieses Geld wäre im Kampf gegen Armut und Elend auf der Welt wesentlich besser aufgehoben.
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