von Habitat for Humanity/Aktion Deutschland Hilft
Bei jedem Regen drückte der Wind Wasser in die Räume, überall war es feucht und kalt. Insekten und Nagetiere krochen unter der Plane her und verschreckten die Kinder. "Uns war kalt, wir hatten Angst und keine Ruhe", schildert die junge Mutter ihre Lage. Hinzu kam noch die Sorge vor dem nächsten Sturm: Würde das Haus dann endgültig zusammenfallen?
Haiti: Vom Klimawandel stark betroffen
Reselaure Dordi und ihre Familie leben im Bezirk Nippes auf der Tiburon-Halbinsel in Haiti. Eine ganze Serie von Naturkatastrophen hat das Land in den letzten zehn Jahren heimgesucht: 2010 die Tragödie in Port-au-Prince, 2016 Hurrikan Matthew und im Sommer 2021 das Erdbeben nordöstlich von Les Cayes.
Und das sind nur die Speerspitzen der regelmäßigen Wetterextreme, unter denen die
Menschen in Haiti leiden. Auch Dürren treten vermehrt auf. Das Land, in dem jeder zweite Bürger in Armut lebt, zählt eindeutig zu den Leidtragenden des Klimawandels.
Wohnen unter Lebensgefahr
Nach jeder Katastrophe fangen die Menschen wieder bei null an. Viele verkaufen den noch übriggebliebenen Besitz, um Geld für einen wie auch immer gearteten Neuanfang zu haben. Der Staat hilft kaum. Wenn Hilfsorganisationen nicht einspringen, müssen die Menschen Grundsätzliches selbst sicherstellen:
Nahrungsmittel, Wasser, Kleidung, Schulbesuch der Kinder und Arbeit für ein Einkommen, wenn beispielsweise die eigenen Felder brachliegen. Für die Reparatur der Schäden am Haus bleibt oft nichts übrig.
Wie Reselaure behelfen sich die Menschen mit Plastikplanen oder notdürftigen und oftmals gefährlichen Konstruktionen, um eine kaputte Außenwand oder das löchrige Dach zu flicken. Monate- oder jahrelang bleiben die Familien in den dürftigen Übergangslösungen wohnen. Bei jedem weiteren Sturm wird das eigene Haus zur Lebensgefahr.
Nachhaltige und sichere Häuser
Seit Jahren ist die Bündnisorganisation Habitat for Humanity in Nippes aktiv. Durch Hurrikan Matthew wurden dort rund 25 Prozent aller Gebäude zerstört oder beschädigt. Die Häuser der betroffenen Familien nicht nur wiederaufzubauen, sondern sie auch katastrophensicher zu machen, das war und ist nach wie vor das Ziel der Helferinnen und Helfer. Viele Häuser haben sie bereits neu errichtet – auch das von Reselaure.
Im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe wurden dabei lokale Handwerkerinnen und Handwerker in nachhaltigen Bautechniken geschult, damit sie Reparaturarbeiten in Zukunft zusammen mit den Familien eigenständig vornehmen können.
Die katastrophensicheren Häuser orientieren sich an der landestypischen Architektur, die in den ländlichen Gebieten Haitis weit verbreitet ist. Die traditionelle Bauweise und das vorhandene lokale Wissen werden mit modernen Bautechniken ergänzt, die von der Bevölkerung leicht umgesetzt werden können. Beim Bau kommen ausschließlich regional verfügbare Materialien zum Einsatz.
Jedes Haus steht auf einem Fundament aus Stein und Zement. Die Wandstruktur besteht aus Holzrahmen, die in Querrichtung mit kleinen Steinmetzplatten verstrebt sind, sodass sie seitlichen Lasten wie etwa Windböen standhalten. Mit Hilfe von Metallbändern werden alle Verbindungen nochmals verstärkt.
Die Wände werden aus Zement gefertigt, in die Querstreben aus Holz und Steinen eingesetzt sind. Das Dach besteht aus einer starren Holzkonstruktion sowie kräftigen Sperrholz- und Wellblechplatten. Türen und Fenster sind ebenfalls aus dickem Holz. Eine kleine Treppe und eine Rampe aus Zement sind vor jedem Haus angebracht.
Zu guter Letzt folgt ein farbenfroher ortstypischer Anstrich im Ornamentstil. Bei den jüngsten Erdbeben im Juli und August dieses Jahres hat keines der in dieser Bauweise errichteten Häuser Schäden davongetragen.
Das erprobte Programm zur Katastrophenvorsorge gehört mit seinem nachhaltigen Ansatz Pathways to Permanence – zu Deutsch "Wege zur Beständigkeit" – zu den Modellprojekten von UN-Habitat, dem weltweiten Wohn- und Siedlungsprogramm der Vereinten Nationen. Das Vorsorgeprojekt in Haiti ist Teil der Jubiläumskampagne.
Noch ist es nicht vollständig finanziert; es werden weitere Spenden benötigt. Mit einem Projektvolumen von 500.000 Euro können die Helferinnen und Helfer weitere 30 Häuser zu je 28 m² und zwei Häuser zu je 45 m² bauen und insgesamt 60 lokale Handwerker schulen. 500 Menschen bekommen so ein sicheres Zuhause und müssen nicht fürchten, bei der nächsten Katastrophe obdachlos zu werden.
Ein katastrophensicheres Zuhause für Oxelia
Auch Oxelia ist Besitzerin eines katastrophensicheren Hauses in Corail. Sie sagte ein paar Tage nach den jüngsten Erdbeben:
"Wir hatten alle zu viel Angst, um wieder ins Haus zu gehen, weil man die Nachbeben noch spüren konnte. Aber jetzt ist es schon ein paar Tage her, und ich sehe, dass die Häuser meiner Nachbarn viele Risse haben, aber meines ist in Ordnung."
Katastrophenvorsorge verhindert Leid, bevor es geschieht. Danke an alle, die die Hilfsprojekte unserer Bündnisorganisationen unterstützen.
+++ Spendenaufruf +++
Aktion Deutschland Hilft, Bündnis der Hilfsorganisationen,
bittet um Spenden für die Katastrophenvorsorge:
Stichwort: Katastrophenvorsorge
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