von Aktion Deutschland Hilft
Mit seiner Idee, Wurzelreste gerodeter Bäume wieder zum Wachsen zu bringen, hat Tony Rinaudo die Lebensbedingungen und Ernährungssicherheit von Millionen Menschen in Afrika und Asien verbessert. Dafür hat der Australier den alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) erhalten.
Im Interview spricht Tony Rinaudo über seine Wiederaufforstungsmethode FMNR (Farmer Managed Natural Regeneration). Er erklärt, worauf es bei diesen Hilfsprojekten ankommt und wie Kleinbauern damit nachhaltig auf Dürre- oder Hungerkatastrophen vorbereitet werden.
Aktion Deutschland Hilft: Tony, was dachten Sie, als Sie den alternativen Nobelpreis erhielten?
Tony Rinaudo: Ich war demütig und sehr glücklich. Vor allem über die Aufmerksamkeit, die FMNR durch die Auszeichnung erhält. Noch immer sind sich nur wenige Regierungen, Hilfsorganisationen und Geldgeber dem ganzen Potenzial dieser Methode bewusst.
Wie genau funktioniert FMNR?
FMNR ist eine Methode zur Wiederaufforstung. Wenn Bäume gerodet werden, bleiben bei vielen Arten weiterlebende Wurzelreste zurück. Diese Bäume und Sträucher können nachwachsen. Sogar in Dürreregionen können aus den Trieben kräftige Bäume werden.
Es geht bei FMNR vor allem darum, Landwirte von den Vorteilen für sich und ihre Familien zu überzeugen. Sie gewinnen ihre Lebensgrundlage zurück und verbessern ihre Ernten. Sie haben mehr Futter für ihre Tiere. Frauen und Kinder müssen keine langen Strecken mehr zurücklegen, um Brennholz zu sammeln. FMNR hatte auf viele Familien einen positiven Effekt. Auch wenn die Veränderungen viel Zeit und Mühe kosten.
Sie haben diese Methode entdeckt und bereits in vielen Ländern der Welt verwirklicht. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
In den 1980er Jahren arbeitete ich mit meiner Frau in einem Entwicklungsprojekt im Niger. Es ging dabei vor allem um das Pflanzen von Bäumen. Wir bemerkten jedoch: Die Einheimischen sind wenig interessiert. Das war natürlich sehr frustrierend.
Doch eines Tages realisierte ich: Wir müssen eigentlich keine Löcher graben, Samen pflanzen und bewässern. Es ist alles schon in der Erde, was wir brauchen, um Bäume wachsen zu lassen. Unser Problem war kein technisches oder ökologisches – es war vor allem ein gesellschaftliches Problem: Damals holzten die Landwirte fast alle Bäume auf ihrem Grund ab. Sie brauchten Baumaterial und Feuerholz. Unsere Idee, ein paar Bäume wachsen zu lassen, wurde von vielen eher als beleidigend empfunden. Also machten wir uns daran, die Menschen von unserer Methode zu überzeugen.
Aktion Deutschland Hilft leistet nach Katastrophen weltweit Humanitäre Hilfe für Menschen in Not. Außerdem unterstützen wir Projekte zur Katastrophenvorsorge. Inwiefern funktioniert FMNR auch für Projekte unserer Bündnisorganisationen?
FMNR wird in der Katastrophenvorsorge und Nothilfe angewendet. Nach einer schweren Dürre herrschte im Niger 1984 eine Hungersnot. Wir leisteten in 100 Dörfern Nahrungsmittelhilfe und nutzten die Zeit gleichzeitig, um den Menschen von FMNR zu erzählen. Viele Landwirte setzten die Theorie in die Praxis um: Ihre Produktionserträge verdoppelten sich und es gab auch in trockenen Phasen genug Futter für das Vieh. Und: Durch diese Methode verbessert sich das Leben der Menschen nachhaltig.
So leisteten wir mit diesem Hilfsprojekt gleichzeitig Katastrophenvorsorge: Die Landwirte waren viel besser auf spätere Hungerkrisen vorbereitet. Sie wurden belastbarer: Zuvor hatten sich die Bauern auf die Ernte einer Pflanze verlassen. Nun können sie Brennholz verkaufen, Tiere züchten oder die Früchte der Bäume verarbeiten.
Der Klimawandel wird immer deutlicher spürbar. Warum gewinnt Wiederaufforstung an Bedeutung?
Gerade in trockenen Regionen wird es für Landwirte immer schwieriger, Pflanzen anzubauen und zu ernten. Dort werden Bäume zu "Puffern" und fungieren als biologische Pumpen. Sie sorgen für geringere Temperaturen und weniger starken Wind und reduzieren die Auswirkungen des extremen Wetters - etwa während sehr trockener Perioden und bei Überschwemmungen.
Die meisten Landwirte, die FMNR anwenden, sind Kleinbauern mit wenig technischem Gerät und kleinen Grundflächen. Wir konnten mit FMNR vielen Menschen helfen, die die Hoffnung fast aufgegeben hatten und kurz davor waren, ihr Land zu verlassen.
Heute haben sie Selbstbestimmungen zurückgewonnen und sind stolz auf das, was sie geschaffen haben. Die Freude, die ich vor Ort wahrnehme, ist riesengroß. Das macht mich sehr, sehr zufrieden.
Und was ist nach dem Nobelpreis Ihr nächstes Ziel?
Mein persönliches Ziel ist, dass FMNR bis 2030 in 100 Ländern umgesetzt wird. World Vision ist Gründungsmitglied von The Global Evergreening Alliance*. Mit unseren Partnern möchten wir dazu beitragen, 100 Millionen Hektar bis 2030 in Afrika aufzuforsten. Dieses Ziel ist Teil der Bonn Challenge*: Bis 2030 sollen weltweit 350 Millionen Hektar aufgeforstet werden. Dafür wollen alle Beteiligten miteinander und mit Regierungen arbeiten.
Länder wie der Niger sind ein Beispiel dafür, dass bereits Großes erreicht wurde: Es war eine Entwicklung aus der Gesellschaft heraus, ohne viel Zutun der Regierung und mit wenig Geld. Wenn Regierungen, NGOs und Gemeinden zusammenarbeiten und wir die Mittel haben, sehe ich keinen Grund, warum wir es nicht auch in vielen weiteren Ländern schaffen sollten.
*The Global Evergreening Alliance ist eine internationale Hilfsorganisation, die die Entwicklung und Umsetzung großflächiger Projekte zur Regeneration der Umwelt in Entwicklungsländern koordiniert. Ziel der Bonn Challenge ist die Renaturierung von 350 Millionen Hektar entwaldeter Flächen bis 2030. Die Bundesregierung Deutschland und die Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (IUCN) riefen das globale Projekt 2011 ins Leben.
So leistet unser Bündnis Katastrophenvorsorge
So helfen unsere Bündnisorganisationen
Langanhaltende Dürren, ausgetrocknete Böden, heftige Wetterextreme wie Wirbelstürme: Viele dieser Naturphänomene sind auf den globalen Temperaturanstieg zurückzuführen.
Der Klimawandel ist für viele Menschen weltweit bereits deutlich spürbar. Hilfsorganisationen unseres Bündnisses unterstützen sie: Landwirte lernen in Schulungen mit den neuen Wetterverhältnissen umzugehen, Helfer bauen schützende Pflanzen in Überschwemmungsgebieten an und verbessern die Wasserversorgung in abgelegenen Dörfern.
Häuser, die der Wucht von Stürmen oder Erdbeben nicht standhalten. Marode Straßen und Brücken. Mangelnde Sanitäranlangen und kein fließendes Wasser: Die Folgen von Naturkatastrophen sind in ärmeren Ländern häufig besonders schwerwiegend.
Unsere Bündnisorganisationen helfen Menschen weltweit, sich gegen Naturkatastrophen zu wappnen. Zum Beispiel mit Schutzräumen, in denen sie sich bei Gefahr zurückziehen können, mit hochwassersicheren Trinkwasserreservoirs oder dem Bau erdbebensicherer Häuser.
Welche ist die sicherste Abkürzung? Wie ist das typische Wetter? Und wer ist das bedürftigste Gemeindemitglied? Darüber wissen die Einheimischen eines Dorfes oder einer Region am besten Bescheid. Und dieses Wissen kann im Katastrophenfall Leben retten.
In Ländern, die besonders anfällig für Wirbelstürme, Erdbeben oder Dürren sind, unterstützen unsere Bündnisorganisationen Menschen dabei, dieses Wissen zu bündeln: Sie bilden Teams aus Freiwilligen, bauen Netzwerke auf und bieten Erste-Hilfe-Kurse an.
Wissen kann Leben retten. Zum Beispiel das Wissen darüber, wie man sich im Falle eines Erdbebens richtig verhält, wie sich der Klimawandel auf die Umwelt auswirkt oder wie Häuser gebaut sein müssen, um Stürmen standzuhalten.
Unsere Bündnisorganisationen vermitteln Kindern und Erwachsenen in gefährdeten Regionen dieses lebenswichtige Wissen und unterstützen sie dabei, es an Angehörige, Nachbarn und Freunde weiterzugeben.
Wenn Menschen spät von nahenden Wirbelstürmen oder Tsunamis erfahren, können sie sich häufig nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen. Analysen von Wetterdaten, verbesserte Netzwerke und eine zuverlässige Kommunikation können Leben retten!
Hilfsorganisationen unseres Bündnisses unterstützen beim Aufbau von Notfallplänen und bei der Entwicklung von Frühwarnsystemen.
Zur Person Tony Rinaudo
Tony Rinaudo ist Agrarökonom. Er lebt in Melbourne und arbeitet seit 1999 bei World Vision Australien. Im September 2018 hat der 61-Jährige den alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) für seinen Einsatz für ein grünes Afrika erhalten. Er sagt: "Schon als Kind hatte ich den Wunsch, in Entwicklungsländern zu arbeiten, um dort etwas zu bewirken."
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