von Aktion Deutschland Hilft/CARE
Marlene Achoki ist Leiterin Klimapolitik bei CARE International mit Sitz in Nairobi, Kenia. Sie koordiniert die Aktivitäten von CARE rund um Klimagerechtigkeit auf globaler und regionaler Ebene, arbeitet mit Länderbüros an klimabezogenen Programmen und setzt sich politisch für das Thema ein.
Im Interview spricht Marlene Achoki über Anpassung an den Klimawandel weltweit, warum es wichtig ist, dabei lokale Gemeinschaften einzubeziehen, und über den Mangel einer globalen Klimafinanzierung.
Aktion Deutschland Hilft: Die Menschen in den Ländern des Globalen Südens sind zunehmend von den Folgen des Klimawandels betroffen. Um gefährdete Gemeinschaften zu schützen, setzen Hilfsorganisationen auf Projekte zur Klimaanpassung. Was ist damit gemeint?
Marlene Achoki: Klimaanpassung meint im Kontext der internationalen Hilfe Maßnahmen, die Einzelpersonen, Gemeinschaften, Gesellschaften und sogar Länder dabei unterstützen, ihre Anfälligkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels zu verringern und ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken. Zum Beispiel gegenüber extremen Wetterereignissen wie Dürren und Stürmen oder langsam eintretenden Ereignissen wie dem kontinuierlichen Anstieg des Meeresspiegels.
Die Klimakrise ist eine humanitäre Krise. In der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe spielt Klimaanpassung eine entscheidende Rolle, da der Klimawandel Krisen verschlimmert, die wiederum schmerzhaftes menschliches Leid verursachen. Maßnahmen zur Klimaanpassung schützen gefährdete Gemeinschaften und verhindern auch die weltweite Zunahme humanitärer Notlagen.
Wie sieht Klimaanpassung in der Praxis aus? Können Sie uns einige Beispiele nennen?
Wir bei CARE unterstützen lokale Gemeinschaften zum Beispiel dabei, klimaangepasste Anbautechniken zu erlernen. Wir stellen dürreresistentes Saatgut zur Verfügung, das extremen Wetterbedingungen besser standhält.
Und wir begleiten lokale Spargruppen, damit sich die Menschen in der Not gegenseitig solidarisch unterstützen können und so unabhängig bleiben. Mit dem richtigen Wissen und ausreichenden Mitteln können betroffene Menschen die notwendigen Schritte selbst unternehmen, um ihr Leben, ihr Einkommen und ihre Zukunft zu sichern – trotz Klimakrise.
Sie betonen die direkte Zusammenarbeit mit lokalen Gemeinschaften. Spielt das bei der Klimaanpassung eine besondere Rolle?
Lokale Gemeinschaften wissen oft am besten, wie man die Herausforderungen durch die Veränderung des Klimas vor Ort angehen kann. Direkt mit ihnen in Sachen Klimaschutz zusammenzuarbeiten, bedeutet, ihr Wissen, ihre Praktiken und Rechte anzuerkennen – und ihre aktive Teilhabe an Entscheidungsprozessen zu unterstützen.
Wenn lokale Gemeinschaften im Mittelpunkt der Anpassungsbemühungen stehen, dann sind es auch ihre Projekte, ihre Verantwortung. Und das führt wiederum zu einer besseren Zusammenarbeit und zu besseren Ergebnissen.
Um wirkliche Fortschritte zu erzielen, müssen Initiativen die Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung in den Vordergrund stellen, indem sie in Ressourcen und Ansätze investieren, die den lokalen Kontext, die Kultur und die Bedürfnisse respektieren und berücksichtigen.
Wie kann das praktisch gelingen?
CARE leistet seit über 20 Jahren Pionierarbeit für lokal geführte Ansätze zur Klimaanpassung. Wir stärken lokale Gemeinschaften beispielsweise, indem wir sie über Finanzierungsmöglichkeiten für Klimaprojekte informieren, sie bei der Umsetzung begleiten und ihnen dabei helfen, ihre Regierungen für den lokalen Klimaschutz in die Pflicht zu nehmen.
Außerdem stellen wir sicher, dass die lokalen Gemeinschaften bei der Entwicklung von Klimaanpassungsplänen federführend sind, bei allen Entscheidungen mitwirken und dass die Gleichstellung der Geschlechter Vorrang hat, damit niemand zurückgelassen wird.
Schauen wir noch einmal ganz allgemein auf alles: Was sind die größten Herausforderungen für die Länder des Globalen Südens bei der Anpassung an den Klimawandel?
Die wohl größte Herausforderung ist die unzureichende Finanzierung der weltweiten Anpassung an die Klimakrise. Der 2023 veröffentliche Adaptation Gap Report des UN-Umweltprogramms zeigt, dass die Anpassungsfinanzierung in Ländern des Globalen Südens auf 387 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt wird. Die derzeitigen internationalen öffentlichen Finanzströme sind fast 18-mal geringer als dieser Betrag.
Der Finanzfluss für Klimaanpassungsmaßnahmen entspricht also nicht dem tatsächlichen Bedarf. Dies führt zu der zweiten großen Herausforderung: Viele Länder des Globalen Südens haben bereits nationale Anpassungsstrategien und konkrete Maßnahmen entwickelt. Doch die Pläne verstauben in den Regalen, weil es an Finanzmitteln für ihre Umsetzung fehlt.
Eine ausreichende Finanzierung der Anpassungsmaßnahmen scheint in vielen Industrieländern auch eine Herausforderung zu sein. Die Industrieländer setzen sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf einer anderen Ebene auseinander.
Wie meinen Sie das?
Die Industrieländer haben bereits Systeme entwickelt, um extremen Klimabedingungen standzuhalten. Sie können sich in der Regel auch schneller von den Folgen von Klimakatastrophen erholen, zum Beispiel in den Bereichen Infrastruktur und Gesundheit. Viele Länder des Globalen Südens befinden sich gerade hier noch im Aufbau.
Wenn extreme Klimaereignisse eintreten, kommen der Verkehr und die medizinische Versorgung oftmals zum Erliegen. Die Infrastruktur ist nicht widerstandsfähig genug, um extremen Klimaereignissen standzuhalten. Verluste und Schäden sind die Folge.
Wenn es also um die Anpassung an den Klimawandel geht, starten Industrieländer und die Länder des Globalen Südens von unterschiedlichen Ausgangspunkten?
Ja. Viele Länder des Globalen Südens stecken tief in langfristigen Schuldenspiralen fest, die es ihnen unmöglich machen, die Klimakrise zu bewältigen. Gleichzeitig benötigen sie Mittel für die Entwicklung in anderen Bereichen. Der Klimawandel behindert ihre sozioökonomische Entwicklung und das Erreichen der Ziele für nachhaltige Entwicklung – und zwar in allen Bereichen.
Deshalb ist es so wichtig, dass sich die Weltgemeinschaft zusammentut, um die Anpassung an den Klimawandel global anzugehen, indem sie genügend finanzielle Unterstützung bereitstellt. Nichtstun ist teurer als jetzt zu handeln. Letztlich ist das Thema Finanzierung eine Frage von Klimagerechtigkeit.
Die Länder des Globalen Südens sind am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, obwohl sie verhältnismäßig wenig zur Klimakrise beigetragen haben. Es ist nur fair, wenn diese Länder ausreichend finanzielle Unterstützung erhalten, um die Krise angemessen bewältigen zu können.
Eine letzte, persönliche Frage: Wie sind Sie zu Ihrer jetzigen Arbeit gekommen? Und was motiviert Sie daran?
Mein Vater brachte mich in diesen Bereich. Er war früher in der Verwaltung für natürliche Ressourcen, Ozeane und Fischerei tätig. Er hat mich dazu ermutigt, an der Universität einen Kurs in Management natürlicher Ressourcen zu belegen. Ich habe eigentlich einen Hintergrund in Umweltwissenschaften und -politik. Nach dem Studium habe ich dann mit einer Frauengruppe in Kenia gearbeitet.
Ich habe ihnen unter anderem gezeigt, wie sich der Klimawandel auf ihr tägliches Leben auswirkt. Und wie sie Strategien entwickeln können, um sich seinen Auswirkungen anzupassen. Diese Arbeit hat mich geprägt. Ich bin drangeblieben und heute engagiere ich mich auf politischer Ebene für die besonders von der Klimakrise betroffenen Menschen. Damit hat sich für mich auch irgendwie ein Kreis geschlossen.
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