Florian Kopp über die Anforderungen an die Fotografie in Krisengebieten
Herr Kopp, Sie haben für Aktion Deutschland Hilft bereits viele Projekte in Pakistan und Haiti fotografiert. Wie sind Sie zu Ihrem Spezialgebiet, der Fotografie in Krisengebieten, gekommen?
Florian Kopp: Bereits als Student hat mich das Schicksal der Menschen in Ländern der Dritten Welt berührt. Nach dem Abschluss meines Geographiestudiums habe ich ein Jahr als Helfer von Malteser International in Afghanistan gearbeitet. Das war 2004. Ende 2005 habe ich nach dem schweren Erdbeben in Pakistan mit über 100.000 Todesopfern Hilfsgüterverteilungen koordiniert. Dort habe ich damit begonnen – zunächst als Hobby –, die Menschen in meinen Projekten zu fotografieren und dabei festgestellt, wie wunderbar sie sich in meinen Bildern zeigen, wie sich ihr Leiden, aber auch ihre Freude über empfangene Hilfe festhalten und darstellen lässt. Bei mir hat das eine Leidenschaft ausgelöst, der ich bis heute nachgehe.
Was ist das Besondere an dieser Art der Fotografie?
Man muss menschlich sehr präsent sein. Schließlich dringe ich als Fotograf tief in die Privatsphäre von Menschen ein, die sich häufig in einer Situation befinden, in der sich eigentlich niemand fotografieren lassen möchte. Oder wollen Sie fotografiert werden, kurz nachdem Sie alles, vielleicht sogar die Familie, verloren haben? Wenn Sie keine saubere Kleidung zum Anziehen haben oder sich eine armselige Hütte mit drei weiteren Familien teilen müssen? Sicher nicht. Der Fotograf ist da in einer schwierigen Situation und hat die Verantwortung dafür, die Würde der abgebildeten Personen nicht nur zu wahren, sondern wenn möglich noch zu stärken. Für mich ist es immer wieder faszinierend zu sehen, mit welcher Kraft Menschen mit aussichtslos wirkenden Situationen umgehen und sie zu überwinden suchen. Das darzustellen finde ich viel interessanter, als „nur“ ihr Leid zu zeigen. Meine Bilder sollen nicht Mitleid erzeugen, sondern Hoffnung wecken.
Meist fotografieren Sie Menschen, die sich in einer ungemein schwierigen Lebenssituation befinden. Wie gelingt es Ihnen, sich mit der nötigen Sensibilität auf diese Menschen einzustellen?
Indem ich mich und meine Vorstellungen soweit wie möglich zurücknehme und mich ganz auf die Welt einlasse, in der ich meine Fotos mache. In diesem Moment zählen nur die Menschen, die ich fotografiere. Ihr Leid ist dann auch mein Leid, ihre Freude auch meine Freude. Die Menschen müssen merken, dass ich „mit ihnen fühle“. Nur so können Sie mich als Mensch wahrnehmen und nicht stigmatisierend als „reicher Ausländer mit großer Kamera“. Nur so kann ich sie davon überzeugen, dass ich sie nicht in ihrem Leid ausnutzen will, sondern ihnen etwas geben, ihnen mit meiner Arbeit helfen möchte. Das ist nicht immer einfach. Aber ich glaube, dass es mir oft gelingt, denn die Menschen öffnen sich mir vor der Kamera.
„Mitfühlen“ ist dabei aber nicht zu verwechseln mit „Mitleid haben“ …
Ganz genau. Auf zu offen gezeigtes Mitleid reagieren die Menschen oft sogar sehr zurückhaltend und misstrauisch. Viele wollen das gar nicht. Was sie brauchen ist Hoffnung, Mut und natürlich Unterstützung, damit sie nach einer Notsituation wieder auf die Füße kommen können. Deshalb stößt ein offenes Lachen, ein netter Witz oder eine Spielerei mit Kindern oft auf mehr positive Resonanz als ein mitleidvolles Gesicht.
Welche Art Fotos sind für Sie tabu?
Solche Fotos, in denen ich die Würde der abgebildeten Menschen verletzt sehe. Das bedeutet zum Beispiel, dass ich keine weinenden Menschen fotografiere. Auch sehe ich es nicht als meine Aufgabe an, die Sensationsgier eines Publikums in Deutschland zu befriedigen. Ich zeige die oft harte und traurige Realität, im Mittelpunkt meiner Fotos steht aber immer der Mensch und nicht sein Leiden.
Wie sehr nimmt Sie eine emotionale Situation mit, die sich vor Ihrer Kamera abspielt?
Prinzipiell versuche ich, eine möglichst geringe emotionale Distanz zwischen mir und meinen Motiven entstehen zu lassen. Nur so kann ich auch in meinen Bildern Authentizität erzeugen. Dabei erreiche ich aber auch manchmal die Grenze dessen, was ich emotional ertragen kann. Vor allem dann, wenn ich innerhalb weniger Tage Zeuge zu vieler trauriger Schicksale werde. Dann „verstecke“ ich mich auch schon mal hinter der Kamera und versuche, mit der notwendigen und auch gesunden professionellen Distanz den von mir abgebildeten Menschen und deren Schicksal gerecht zu werden. Wenn es zu heftig ist, schäme ich mich aber auch nicht, meine Kamera zur Seite zu legen und nicht auf den Auslöser zu drücken.