Stefan Keßler, Vorstandssprecher von Amnesty International über den Zusammenhang von Menschenrechten und Katastrophenhilfe
Auch im Jahre 2009 sind wir noch weit von einer „Welt ohne Furcht und Not“ entfernt, die uns die im Dezember 1948 verkündete Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verheißt. Für eine solche Feststellung genügt schon ein Blick in die Tageszeitung.
Nehmen Sie etwa die Lage in Zimbabwe (obwohl dieses südafrikanische Land, wie ich zugeben muss, derzeit nicht mehr in unseren Zeitungen erscheint). Dort ist die Wirtschaft ruiniert, mehr als vier Millionen Menschen sind zum blanken Überleben auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Grundnahrungsmittel gibt es ansonsten nur noch auf dem Schwarzmarkt. Die Inflationsrate hat astronomische Höhen erreicht. Und der Ausbruch einer Cholera-Seuche hat die humanitäre Lage noch einmal dramatisch verschlimmert.
Zimbabwe ist ein dramatisches Beispiel dafür, dass humanitäre Notlagen und Katastrophen nicht unbedingt etwas Unvorhergesehenes, Unbeeinflussbares sind, sondern durch das Handeln von Machthabern „gesteuert“, wenn nicht sogar hervorgerufen werden können. Denn es ist nicht etwa eine langanhaltende Dürre, die das Land erfasst hat, sondern es sind die Folgen der Politik einer Clique um Staatspräsident Robert Mugabe herum. Neben der persönlichen Bereicherung wird dabei auch der Machterhalt angestrebt. So fielen vor einigen Monaten einer gewaltsamen Umsiedlungspolitik, bei denen zahlreiche Häuser und Hütten durch Bulldozer niedergewalzt wurden, gezielt Menschen zum Opfer, die im Verdacht standen, der Opposition nahezustehen.
Ein solches Handeln verletzt ganz offensichtlich – und ungeniert? – die Menschenrechte der betroffenen Bevölkerung, besonders ihre wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (im internationalen Jargon gerne als „WSK-Rechte“ abgekürzt). Dazu gehört das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, das unter anderem den Zugang zu ausreichender Nahrung und Wasser sowie eine angemessene Unterkunft sichert. Mit dem Recht auf Gesundheit ist ein Anspruch auf den höchsten erreichbaren Gesundheitsstandard gemeint. Und das Recht auf Wohnung schreibt jedem Menschen eine angemessene Unterkunft zu. Die Staaten sind völkerrechtlich verpflichtet, solche Rechte
- zu achten (niemand darf durch den Staat an der Inanspruchnahme seiner Rechte gehindert werden, was etwa zum Verbot der Diskriminierung einzelner Gruppen, oder der Zerstörung etwa von Feldern als Strafmaßnahme führt);
- zu schützen (der Staat hat die Pflicht einzugreifen, wenn etwa das Recht auf sauberes, nutzbares Wasser durch die Aktivitäten Dritter gefährdet wird, wie z.B. Wasserverschmutzung durch die Industrie);
- und zu fördern (der Staat muss entsprechende Maßnahmen ergreifen, um die Rechte zu verwirklichen, z.B. durch die Aufnahme entsprechender Vorschriften im nationalen Recht).
Pflichten ergeben sich jedoch nicht nur für die einzelnen Nationalstaaten. Internationale Organisationen haben ebenfalls Verpflichtungen. Dies betrifft insbesondere die internationalen Finanzinstitutionen - Internationalen Währungsfonds und Weltbank -, die bei der Ausgestaltung ihrer Entwicklungsprojekte, Kreditvereinbarungen und Strukturanpassungsprogrammen die Menschenrechte berücksichtigen sollen.
Eng verwoben mit der Verletzung von WSK-Rechten ist häufig die Missachtung politischer Rechte. Wer sich gegen staatliche Übergriffe wehrt oder anderen dabei beisteht, muss häufig Verfolgung befürchten. Das gilt zum Beispiel für Yang Chunlin, der sich für die Rechte von enteigneten Bauern in seiner Heimat im Nordosten Chinas stark gemacht hatte. Weil er in einer Petition »Menschenrechte, keine Olympischen Spiele« gefordert und etwa 10.000 Unterschriften gesammelt hatte, wurde Yang am 24. März 2008 zu fünf Jahren Haft verurteilt. Ye Guozhu wurde 2004 zur einer vierjährigen Haftstrafe wegen Unruhestiftung verurteilt. Er hatte seine Wohnung und sein Restaurant wegen eines Bauvorhabens ohne jegliche Entschädigung verloren. Als Ye eine Demonstration gegen Zwangsräumungen in Peking anmelden wollte, wurde er verhaftet.
Wenn sie in einem solchen Kontext arbeiten müssen, bewegen sich humanitäre Hilfsorganisationen auf einem schmalen Grat. Sie wollen und müssen Hilfe leisten, weil sonst etwa Menschen verhungern. Gleichzeitig müssen sie jedoch vermeiden, durch ihre Tätigkeit ein Regime zu stützen, das Menschenrechtsverletzungen verübt. Eine solche Gratwanderung ist keine leichte Aufgabe, und für sie gibt es kein Patentrezept. Aber es ist notwendig, bei jeder Katastrophe zu fragen, wer für sie verantwortlich ist. Gegebenenfalls müssen die Verantwortlichen – seien es Regierungen, transnationale Unternehmen oder andere Akteure – auch öffentlich zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist dann ein Schritt weiter auf dem Weg hin zu einer Welt ohne Furcht und Not.
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