Gastkommentar von Kerstin Müller, Sprecherin für Außenpolitik im Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied im Kuratorium von Aktion Deutschland Hilft
„Die Lösung des Problems liegt drüben in Somalia“, war kürzlich in einem Bericht der Tagesschau zur Hungersnot am Horn von Afrika zu hören. Gesagt von Fafa Attidzah, dem UNHCR-Verantwortlichen in Dadaab, einem der größten Flüchtlingslager der Welt, das in Kenia etwa 100 Kilometer entfernt von der Grenze zu Somalia liegt. Somalia ist vom Westen ein weitgehend vergessenes Land, in dem seit zwanzig Jahren Bürgerkrieg herrscht und das bei uns inzwischen vor allem dann von Interesse ist, wenn es um die Piraterie im Golf von Aden geht- von Wirtschaftsinteressen ist dann gerne die Rede, die es zu sichern gilt. Wenn es aber um die Bekämpfung der Ursachen für diese Piraterie an Land geht, schweigt die internationale Gemeinschaft, da alle Versuche der Befriedung Somalias bisher gescheitert sind.
In den letzten Jahren wurde wenig unternommen, um unter Einbezug aller relevanten Akteure dem Zerfall Somalias entgegenzuwirken und die Somalis bei der Befriedigung und beim Wiederaufbau ihres Landes zu unterstützen. Nach dem dramatischen Scheitern der Friedensmissionen (UNOSOM) hat die internationale Gemeinschaft das Land 1995 verlassen, und abgesehen von einigen Versuchen der Unterstützung verschiedener Übergangsregierungen und humanitärer Hilfe im Land, die Aktivitäten eingestellt. Ergebnis ist heute eine Übergangsregierung, die bislang nicht in der Lage ist, für die Sicherheit im Land zu sorgen. Im Gegenteil.
Regierungstruppen kämpfen gegen die islamistische Gruppierung Al-Shabaab in der Hauptstadt Mogadischu und anderen Teilen Süd- und Zentralsomalias. De facto gibt es keine Zentralregierung für das gesamte Land.
Nach zwei Jahrzehnten Staatszerfall ohne effektive Regierung und ohne Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols bleibt die humanitäre Lage gerade wegen der schwierigen Sicherheitslage dramatisch. Hinzu kommt, dass die Islamisten die internationalen Hilfsorganisationen aus dem von ihnen kontrollierten Gebieten herausgeworfen haben, die zur humanitären Hilfe der Bevölkerung vor Ort waren. Das hat die humanitäre Lage noch dramatisch verschlechtert und erschwert nun eine schnelle und effektive Hilfe im Zentrum und Süden des Landes. Teile der Islamisten hatten zwar angekündigt wieder internationale Organisationen ins Land lassen, dies dann aber widerrufen. Rund 4000 Menschen fliehen nach Schätzungen der Vereinten Nationen täglich aus Somalia in die Nachbarländer, die aber ihrerseits unter der Dürre leiden und Schwierigkeiten haben, die unzähligen eintreffenden Flüchtlinge zu versorgen. Besonders Leidtragende sind die Frauen und Kinder, von denen die Hälfte in Südsomalia bereits akut mangelernährt ist.
Für die sich ausbreitende Hungersnot am Horn von Afrika mögen zwar aktuell ausbleibende Regenfälle und drastische Preissteigerungen für Lebensmittel die Ursachen sein, dahinter verbergen sich aber eben auch die beschriebene Hintergründe: strukturelle Armut, schlechte Regierungsführung, bewaffnete Konflikte und die Folgen des Klimawandels.
Hilfsorganisationen wie die Mitglieder von Aktion Deutschland Hilft leisten seit langen Jahren Hilfe in den nun von der Hungerkatastrophe betroffenen Ländern am Horn von Afrika. Viele Projekte widmen sich auch dem Kampf gegen Malaria und HIV/Aids. Die aktuellen Hilfsmaßnahmen wie Versorgung mit Wasser und Nahrungsmitteln laufen adhoc parallel zu den langfristigen Projekten.
Es ist beschämend, dass die Hilfe der Nichtregierungsorganisationen kaum von ausreichender Unterstützung seitens westlicher Regierungen flankiert wird. Die erste Reaktion der Bundesregierung war sehr unbefriedigend: Sie hatte zunächst nur zusätzliche sechs Millionen Euro Hilfe zur Bewältigung der aktuellen Krise zugesagt. Dies war angesichts des dramatischen Ausmaßes und auch im Vergleich zu anderen Gebern ein peinlich niedriger Betrag. Erst als jetzt die Kritik immer lauter wurde, bewilligte die Bundesregierung weitere 15 Millionen Euro. Die UN hat offiziell eine Hungersnot für die Region ausgerufen und beziffert den Bedarf an akuter Nothilfe auf 1,1 Milliarden Euro. Die notleidende Bevölkerung, insbesondere die Frauen und Kinder brauchen daher jetzt schnell und unbürokratisch unsere Hilfe, sonst sind viele von ihnen bereits morgen tot. Nach Schätzungen des Amts für die Koordinierung der Nothilfe (OCHA) sind in der Region am Horn von Afrika bereits weit über elf Millionen Menschen auf Unterstützung angewiesen.
Langfristig muss der Lösungsansatz in Somalia aber ein politischer sein: Es bedarf eines Gesamtkonzeptes, in welchem die zivilen Mittel zum Aufbau dauerhaft rechtsstaatliche Strukturen sowie zur Verbesserung der Lebensbedingungen klare Priorität haben. Die Unterstützung muss einerseits dezentral und über lokale gesellschaftliche Strukturen organisiert werden, andererseits aber die Zentralregierung stärken. Somalis sind Clangesellschaften und folgen mehr ihrer Gruppenzugehörigkeit denn einem Bürgerverständnis: Genau hier müssen sie abgeholt werden. Daher sollten wir eigene somalische Stabilisierungsansätze fördern. Die Lösung des Problems liegt langfristig in Somalia selbst, aber sie ist nur mit nachhaltiger Unterstützung der internationalen Gemeinschaft möglich. Beginnen wir daher jetzt.
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